Newsletter November 2018
Möglicherweise ist die jubelfreie Erinnerung ein Reflex auf die historische Situation von 1918/19: Den Zeitgenossen war bewusst, dass nach vier zerstörerischen Jahren ein weiterer schwerer Weg vor ihnen lag. Die Revolution wurde nicht aus klassenkämpferischem Geist und politischer Überzeugung geboren, für viele Soldaten und Matrosen war sicher erstmal der Gedanke wichtiger, Weihnachten daheim zu sein. Aber ist solche „Kriegsmüdigkeit“ nicht aller Ehren wert, ist sie nicht auch ein richtig revolutionäres Motiv?
Ich meine schon. Die Weigerung, erneut mit der Flotte auszulaufen, Streiks, Forderungen nach einem sofortigen Friedensschluss – all das waren Zeichen der Erkenntnis, dass die alten Eliten versagt, sie den Krieg verloren hatten, aber auch den Frieden nicht gewinnen würden, weil sie ihre Chance auf diplomatisches Einlenken längst verspielt hatten. Das zeigt die Forderung des amerikanischen Präsidenten Wilson nach der Abdankung des deutschen Kaisers, die lange dem Abschluss eines Waffenstillstands im Weg stand. Am 9. November wurde der Rückzug des Kaisers schließlich von der deutschen Revolution erzwungen. Am 11. November wurde der Waffenstillstand unterzeichnet.
Der 9. November aber ist so etwas wie ein Schicksalstag der Deutschen geblieben. Zur „Reichskristallnacht“ hetzte Goebbels am 9. November 1938 auf, als die alten Kämpfer in der „Hauptstadt der Bewegung“ den Hitlerputsch von 1923 feierten. Und am Vorabend des 9. November 1939 versuchte der Schreiner Georg Elser vergeblich, Hitler zu töten. Eine positive Wendung hat der Schicksalstag 1989 bekommen, als die Mauer fiel. Lob der friedlichen Revolution! Und das, wenn auch nicht ausschließlich, in Tagungen der Evangelischen Akademie Tutzing: etwa vom 25. bis 27. Januar 2019 zur Münchner Revolution und Räterepublik und vom 6. bis 8. Dezember 2019 zu 30 Jahren Mauerfall.
Ich freue mich auf die Begegnung mit Ihnen!
Dr. Ulrike Haerendel
Studienleiterin für Soziales, Familie und Generationen, Geschlechter- und Gleichstellungsfragen, Geschichte