Newsletter Juli 2023
Sind nicht die freien Tage ein schönes Geschenk? Alt und Jung freuen sich über die Auszeit. Und doch hat sie in der modernen Konsumgesellschaft eine groteske Signatur entwickelt: Irgendwie muss man im Urlaub weg. Ganze Völkerwanderungen bewegen sich durch Staus und Warteschlangen. Im Urlaub steht der Diskurs über soziale und ökologische Nachhaltigkeit still. Die Reiserouten zu Land, Wasser und Luft feiern mit dem Verbrennungsmotor unverdrossen ihr hedonistisches Credo: „Ich brauch Tapetenwechsel“ (Hildegard Knef). Aber muss diese feriale Mobilmachung sein? Gleicht nicht unser „ab in die Ferien?“ einer Art Flucht in eine Ferne, wo wir ein ganz anderes Leben halluzinieren? Zugleich kreuzen Flüchtlingsströme unseren Tourismus, versuchen die oftmals durch Krieg und Elend ganz unparadiesischen Länder die kleinen Fluchten und traumschönen Oasen für die Devisenkundschaft separat zu halten. Wie lange hält diese Welt den hypermobilen Irrsinn noch aus? Finden wir weit weg wirklich das ganz andere Leben? Oder stellt sich die Entspannung, die Sammlung aus aller Zerstreuung mitunter ganz nah ein? Statt 1001 Kilometer als Triumphgeste vor sich her sagen lieber daheim bleiben? Der geschundene Globus würde es uns danken! Denn was immer uns voneinander an Ethnie, Religion, Kultur, Götter und Götzen unterscheidet, trennt, profiliert: Es verbindet uns alle diese eine, einzigartige, schöne wie wunde Welt. Wie wir diese blaue Perle im All teilen, diese einmalige Immanenz, wie wir im Kleinen wie im Großen die Weltinnenpolitik gestalten, wird über kriegsgebeutelt weite Zonen wie Winkel humaner Geborgenheit entschieden. Wir träumen Paradies und handeln Fabrik? Lernen wir aus Fernweh und Heimweh, Auszeiten achtsam zu leben.
„Dem Kinde, das aus den Ferien heimkommt, liegt die Wohnung neu, frisch, festlich da. Aber nichts hat darin sich geändert, seit es sie verließ. Nur dass die Pflicht vergessen ward, an die jedes Möbel, jedes Fenster, jede Lampe sonst mahnt, stellt ihren sabbathanischen Frieden wieder her, und für Minuten ist man im Einmaleins von Zimmern, Kammern und Korridor zuhause, wie es ein ganzes Leben lang nur Lüge behauptete. Nicht anders wird einmal die Welt, unverändert fast, im stetigen Licht ihrer Feiertage erscheinen, wenn sie nicht mehr unter dem Gesetz der Arbeit steht, und dem Heimkehrenden die Pflicht leicht ist wie das Spiel in den Ferien war!“
Mit den Worten Theodor W. Adornos wünschen wir Ihnen schöne, erholsame, friedvolle Ferien, dass Sie behütet wieder nach Hause und auch wieder zu uns in die Evangelische Akademie Tutzing kommen. Aufblühen ist nicht verboten.
Von Herzen
Ihr Pfr. Dr. phil. Jochen Wagner, Studienleiter,
der sich zum 20. September in den (Un-)Ruhestand verabschiedet. So ein Geschenk, an diesem zauberhaften Ort so viele Jahre arbeiten zu dürfen. – Arbeiten? Mit Ihnen allen zu staunen, sich wundern, rätseln, denken, diskutieren, gestalten, streiten wie tanzen, weinen und lachen, zu hoffen, klagen, wettern, essen und trinken, beten wie träumen. Anders l(i)eben: „What a wonderful world – if not?“ (Louis „Satchmo“ Armstrong). Danke, grazie, merci, thanks!
Die (post-)koloniale Ukraine als historiographische Herausforderung
Neues Programm ab September
Bilder vom Politischen Club
Impressionen vom Kirchentag in Nürnberg
„Ich resigniere, aber vital!“
Blickwechsel zwischen Literatur und Wissenschaft
Revolution im Gesundheitswesen? Impulse für die Versorgung der Zukunft
34. Medizin-Theologie-Symposium vom 22. bis 24. September 2023