Newsletter Januar 2021
Doch ist uns nicht eher bang? Wir schauen ja nicht wie Hölderlin 1801 etwa ins liebliche Neckartal gen Tübingen. Vielmehr braucht es nur ein Wort, Corona. Unser beklommenes Herzklopfen bedeutet uns: Ja, es ist alles offen, total, unsicher, ungewiss. Von wegen heiter weiter.
Wo alles offen ist, da zieht’s. Auch ohne Corona: Es kostet Kraft, den vielen Übeln und Gefahren unseres Lebens manchmal in Millimetern und Sekunden Zuversicht abzutrotzen. „Komm ins Offene, Freund“ – eine typische Märchenstunde eines weltfremden Poeten? Eine Illusion zum Schönlügen, Verdrängen, Verleugnen, Verschwören, wie es wirklich um uns steht? Mit aller Gewalt heitere Normalität mimen?
Es ist vielfach bleierne Zeit. Wir können die Zukunft mit Sorge oder mit Neugier ausmalen. Hölderlin war kein Phantast, sondern ein sensibler Anwalt der widerstreitenden Konstellationen in der Außen-Welt wie in der Innen-Welt: himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt. It’s me, but also it’s we. Kommen Sie alle, liebe Freundinnen, gehen wir zusammen ins Offene. Die Kraft zum Glück und zur Verzweiflung ist die gleiche. Teilen wir Lachen und Weinen, schenken wir uns Impulse zum Vorwärts. Weil die Tat die Schwester des Traums ist, ist das Offene, das Freie, noch Unentschiedene, noch Ungestaltete, nicht nur Risiko, sondern das göttliche Geschenk, Wunschtraum für die unbekannte Nähe zu Neuem.
Wir danken Ihnen von Herzen für Ihre Treue und Verbundenheit und wünschen Ihnen allen ein frohes, gesundes, glückliches, vor allem behütetes neues Jahr. Möge der liebende Gott der Jahreslosung 2021 uns alle, wie auch die anderen, nah und fern, begleiten: „Jesus Christus spricht: Seid barmherzig wie auch euer Vater barmherzig ist!“ (Lukas 6,36)
Ihr
Dr. phil. Jochen Wagner
Studienleiter Theologie und Gesellschaft, Religion, Philosophie und Recht