Newsletter Juli 2022
Niemand. Doch radikale Offenheit, vorwärts ohne Sicherheit oder Gewissheit, wer hält das aus? Also tun wir oft so, als wüssten wir, was kommt und tragen unsere Daten, Treffs, Events und Programme selbstbewusst und selbstverständlich in die Kalender ein. Und was Wunder: Millionenfach triumphieren unsere Spielpläne und Reisebuchungen, Meetings, Terminierungen, Zeitgeschäfte, Ampelschaltungen und Geburten und vieles mehr. Zugleich beschweren wir uns bei minimaler Verspätung und pochen darauf, dass Punkt zwölf Uhr dort seit langem ausgemacht war. Dabei wissen nur allzu gut: Unverhofft kommt oft! Und wie! Niemand hat seinen Unfall, eine schwere Krankheit, einen jähen Todesfall oder den Verlust der Arbeit auf dem inneren Schirm seines Lebensgefühls aus Gewohnheiten und Routinen. So wenig wie man ein Sichverlieben, einen Lottogewinn oder ein Geschenk aufs Hier & Jetzt vorherbestellen kann.
So sehr wir sicher vorausplanen möchten, so sehr „ist der Zufall unser Schicksal“ (Agnes Heller). Oder hatten wir z.B. Corona auf dem Plan? Den Krieg Russlands gegen die Ukraine? Bundeskanzler Olaf Scholz führte der erste öffentliche Auftritt nach seiner Rückkehr aus Kiew in die Evangelische Akademie Tutzing. Er sprach zwischen Kriegshölle und Schlossidyll, dezent wie bestimmt, bekennend und solidarisch über das, ja was? Was kommt? Nicht weniger als das, was wir nicht nur in unsere Terminkalender, sondern in unsere Köpfe und Herzen eintragen müssen. Dass wer sich zum Lamm macht, die Wölfe lockt: Die Zukunft der Demokratie entscheidet sich an ihrer Wehrhaftigkeit gegenüber dem bestialisch entmenschtem Kriegstreiben Putins nicht minder als am Blick des globalen Südens auf uns: die Idee Europas aus Wohlstand, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten für alle. Dass sich Geschäfte mit Schlächtern verbieten und die Attraktivität der Demokratie mit einem anthropologischen, einem dem Menschen als wesenseigenen Humanum wirbt: dem Traum in Freiheit, Frieden, Gerechtigkeit und mit der Natur nachhaltig global zusammenzuleben.
Mögen wir uns in den kommenden Wochen in den Zerstreuungen des Urlaubs erholen. Und danach wieder die drängenden Zukunftsfragen aufgreifen. Zum Beispiel in den Tagungen „Imagine – Impulse für eine bessere Welt“ (23.-25. September 2022) oder „Weltinnenpolitik des 21. Jahrhunderts“ (6.-8. Januar 2023) – ein Blick in unser neues Jahresprogramm lohnt sich!
Auf ein Wiedersehen freut sich und im Namen des gesamten Teams der Akademie grüßt Sie
Ihr
Dr. Jochen Wagner
Studienleiter für Theologie und Gesellschaft, Religion, Philosophie und Recht