Newsletter Februar 2022
Und dann gab es noch eine Art politischen Silvesterknaller. Die EU-Kommission lieferte eine Zündschnur frei Haus. Es explodierten im übertragenen Sinne all jene, die sich für wirksame Maßnahmen zur Finanzierung der Klimawende einsetzen. Grund war der Entwurf der sogenannten EU-Taxonomie mit der Botschaft, Energiegewinnung aus Kern- und Gaskraftwerken sei nachhaltig.
Die EU-Taxonomie regelt einheitlich in ganz Europa, welche Arten von Investitionen als „nachhaltig“ bezeichnet werden dürfen. In einer unserer Tagungen im Herbst 2020 (zum Tagungsbericht) bezeichnete ein führender Forscher und Mitglied des Sustainable Finance-Beirats der Bundesregierung die Planungen der EU-Taxonomie als „Game Changer“. Gut gestaltet könne dieses Regelwerk viele private Anlagegelder aus Lebensversicherungen, Fondsparplänen und anderen Investmentfonds dahin lenken, wo eine bessere, klimaneutrale Welt gestaltet wird. Der aktuelle Entwurf begünstigt stattdessen den Bau neuer Atomkraftwerke und ignoriert die ungelöste Endlagerfrage sowie andere Risiken für unsere Kinder und Enkel.
Nach wütenden Reaktionen musste sich auch die Bundesregierung in den ersten Tagen des neuen Jahres dazu verhalten. Die Koalitionäre akzeptieren, dass Gaskraftwerke unter gewissen Bedingungen als Brückentechnologie zur gesamtgesellschaftlichen Klimaneutralität nötig seien. Geldflüsse zur Herstellung von Atomstrom sollen aber keinesfalls als nachhaltig gelten (zum Bericht über unseren Online-Gesprächsabend zu Fragen von Klimaschutz und Wohlstand).
Nach allem, was aus den meisten EU-Ländern zu vernehmen ist, wird es trotzdem so kommen. Dann, und das ist die gute Nachricht dieses freudlosen Stückes Papier, kommen aber wir als Bürgerinnen und Bürger ins Spiel. Laut Gesetzeslage werden wir ab Mitte 2022 bei jedem Banktermin zur Geldanlage gefragt werden, ob wir nachhaltig investieren wollen. Es liegt also an jedem von uns, die mehr oder weniger vorhandenen „Kröten“ artgerecht, das heißt „ökologisch zu halten“.
Wir können dem schnöden Mammon ein Stück weit seine destruktive Macht nehmen. Wenn viele mitmachen, kann uns die viel diskutierte EU-Taxonomie sogar einen Anstoß zum konstruktiven Handeln geben.
Ihr
Martin Waßink
Studienleiter für Wirtschaft und Arbeitswelt, Nachhaltige Entwicklung