DER WELTHANDEL BRAUCHT NEUE REGELN – ABER WELCHE?
Die Verhandlungen zwischen der EU und den USA über das Abkommen zum transatlantischen Freihandel sind ins Stocken geraten. Ein Scheitern ist nicht ausgeschlossen. Seit Beginn der Verhandlungen in 2013 war kaum ein anderes europäisches Projekt in Politik und Zivilgesellschaft so umstritten wie der transatlantische Freihandel. Wie ist das zu erklären?
Offene Gesellschaften leben vom freien und fairen Austausch. Gleichzeitig steht der Begriff Freihandel heute für eine Vielzahl von unfair empfundenen Zuständen, wie privatwirtschaftliche Machtakkumulation, Preisverzerrungen, Ausbeutung von Ressourcen und Lohndumping. Nicht selten geschieht dies zulasten der Entwicklungsländer. Auch Staaten halten sich nicht immer an die Regeln der Fairness: unlautere Subventionierung und strategisches Dumpingverhalten, mangelnder Schutz des geistigen Eigentums und Wechselkursprotektionismus sind nur einige Beispiele. Freier Handel ist also nicht automatisch fair. Die Mechanismen der freien Marktwirtschaft allein werden die globalen ökonomischen und sozialen Ungleichgewichte nicht ausgleichen. Zur Verringerung der globalen Ungleichheit bedarf es politischer Lösungen. Der Welthandel braucht neue Regeln – aber welche?
Die öffentliche Debatte findet auch vor dem Hintergrund der wachsenden Flüchtlingsströme statt. Der Begriff „Wirtschaftsflüchtlinge“ fällt in Anbetracht zahlreicher Krisenherde nicht selten abwertend und lässt zuweilen vergessen, dass die Gestaltung der globalen Wirtschafts- und Handelsarchitektur in der kollektiven Verantwortung liegt. In diesem Sinne erscheint es notwendig, eine größere Perspektive zu gewinnen: Welche Regeln sind notwendig für eine gerechte Welt-Handels-Ordnung mit Blick auf die Entwicklungsländer und vor allem angesichts der drängenden Notwendigkeit, Fluchtursachen zu bekämpfen? Aber auch, welche Chancen und Risiken ergeben sich für Deutschland im Zuge eines zunehmenden Freihandels? Wie können die europäischen Standards beim Umwelt- und Verbraucherschutz, bei den Arbeitnehmerrechten, der Energieversorgung, dem Gesundheitssystem und der Bürgerbeteiligung langfristig gesichert werden, ohne dabei das Ziel eines barrierefreien Handels aus den Augen zu verlieren? Die Herbsttagung des Politischen Clubs bietet eine gute Gelegenheit, diese Fragen offen und über den Tag hinaus zu diskutieren. Diskutieren Sie mit!
Wir laden Sie herzlich ein in die Evangelische Akademie Tutzing.
Udo Hahn, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing
Dr. Wolfgang Thierse, Bundestagspräsident a.D., Leiter des Politischen Clubs der Evangelischen Akademie Tutzing