Zwischen Wut und Mut: Geflüchtete und Arbeitsintegration
Gut gefüllt war das Auditorium bei der Podiumsdiskussion zum Thema „Arbeit für Geflüchtete“. Aktueller Anlass waren das Fachkräfteeinwanderungsgesetz und das Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung. Ehrenamtliche Helfer trugen ihre Anliegen Vertreterinnen und Vertretern aus der Politik und Arbeitsverwaltung vor – Unmut kam dabei zum Vorschein, aber auch Ansätze für Lösungen in einem komplexen Feld.
„Wir sind alle müde!“, erklärte eine Asylhelferin gegen Ende des Abends. Das hätte sich nach zwei Stunden intensiver Auseinandersetzung in der Evangelischen Akademie Tutzing mit dem Thema „Arbeit für Geflüchtete“ zwar durchaus auf das momentane Befinden beziehen können, war aber ganz anders gemeint: Die großen Schwierigkeiten, die sich auftun, wenn man versucht, den Geflüchteten eine Arbeit zu verschaffen, wirken zermürbend. Woran liegt das? Anders als in Österreich, wo ein generelles Arbeitsverbot für Asylbewerber gilt, wie Landesrat Rudi Anschober aus Linz erklärte, dürfen in Deutschland auch noch nicht Anerkannte und Geduldete arbeiten – aber nur unter gewissen Voraussetzungen. Besonders restriktiv werden diese in Bayern gefasst, und hier gibt es nochmal Unterschiede zwischen den einzelnen Ausländerbehörden, von denen einige ihre Ermessensspielräume weiter und manche enger fassen. Zu letzteren gehöre leider die Behörde im Landratsamt Starnberg, so die Mitveranstalterinnen des Abends aus dem Ökumenischen Unterstützerkreis Tutzing, Gabriele Dannert und Claudia Steinke.
Die Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung Gudrun Brendel Fischer, MdL (CSU), machte allerdings Hoffnung, indem sie darauf hinwies, dass im Vorfeld der gerade parlamentarisch diskutierten Gesetze zur Fachkräfteeinwanderung und zur Duldung bei Beschäftigung und Ausbildung „an mancher Stellschraube gedreht“ werde. Sie sei auch dafür, über die Tagesabläufe in den Ankerzentren und Möglichkeiten sinnvoller Tätigkeiten für deren Bewohner nachzudenken. Das nutzte Landtagsabgeordnete Claudia Köhler von Bündnis90/Die Grünen zu der Replik: „Dann schaffen Sie die Ankerzentren doch lieber gleich ab!“ Köhler, die sich auf ihre vielen Erfahrungen als Gemeinderätin und Asylhelferin vor Ort berufen konnte, wurde darin von ihrem „grünen“ Parteikollegen Rudi Anschober aus Oberösterreich und vielen Menschen im Saal bestätigt, die gleichfalls dezentrale, kleinere Unterbringungsmöglichkeiten für einen wesentlichen Beitrag zur Integration halten.
Ein weiterer Beitrag wären verlässliche und einheitliche Regelungen zur Beschäftigung von Geflüchteten – das wurde an dem Abend ganz deutlich. Hubert Schöffmann von der IHK München und Oberbayern und andere Anwesende wiesen in diesem Zusammenhang auf die Arbeitgeber hin, die ja von Helfern über Auszubildende bis zu Fachkräften große Bedarfe hätten, aber manche Enttäuschung seitens der Politik erlebt haben. „Warum ermöglichen wir mit der Fachkräfteeinwanderung nicht auch den Spurwechsel?“, fragte der FDP-Fraktionsvorsitzende im Landtag Martin Hagen. Darunter versteht man die Möglichkeit für Flüchtlinge, aus der Bewerbung um Asyl in die Bewerbung um einen Arbeitsplatz zu wechseln. Auch seine SPD-Kollegin Alexandra Hiersemann fand es zwar richtig, dass wir einerseits die Möglichkeiten zur Fachkräfteeinwanderung verbessern, aber verwies auf die Absurdität, dass gleichzeitig über „geordnete Rückkehr“ verhandelt und den schon eingelebten und möglicherweise sogar ausgebildeten und eingearbeiteten „Flüchtlingen“ die richtige Integration verweigert werde.
Die Integrationspolitik von solchen Kategorisierungen abhängig zu machen, problematisierte auch Klaus-Peter Potthast, Abteilungsleiter im bayerischen Wirtschaftsministerium. Ein rein funktionalistischer Blick auf Arbeitskräfte sei allerdings ebenfalls unangemessen, denn es kämen Menschen mit je eigenen Hintergründen und Voraussetzungen. Das führte Ralf Holzwart, oberster Vertreter der Bundesagentur für Arbeit in Bayern, am Beispiel der Frauen vor Augen. Wegen ihrer familiären Situation und gesellschaftlicher Schranken in den Herkunftsmilieus blieben sie oft außen vor. Diese Problematik hat auch die Vertreterin der Staatsregierung Gudrun Brendel-Fischer vor Augen, die hierzu auf spezifische Integrationsprogramme für Frauen verwies.
Ulrike Haerendel
Bild oben: Die Podiumsdiskussion in der Rotunde der Akademie stieß auf großes Publikumsinteresse. Auf diesem Bild hat Hubert Schöffmann von der IHK gerade das Mikrofon in der Hand.
(Foto: dgr/eat archiv)