Zum 75. Todestag Dietrich Bonhoeffers
Der 9. April ist ein besonderes Datum – nicht nur, weil 2020 der Gründonnerstag auf diesen Tag fällt, sondern weil vor genau 75 Jahren der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer im Konzentrationslager Flossenbürg ermordet wurde. Udo Hahn, Pfarrer und Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing, gedachte nun in einem Vortrag in der Friedenskirche Starnberg dem großen Theologen und Widerstandskämpfer. Hier lesen Sie einen Auszug daraus.
Der 9. April ist ein besonderer Tag. Gründonnerstag steht in diesem Jahr im Kalender. Der 9. April ist 2020 auch ohne Gründonnerstag ein besonderes Datum. Auch er wird in die Geschichte als ein Tag eingehen, an dem sich praktisch alles um die Corona-Pandemie drehte. Sie beherrscht gegenwärtig das private wie das öffentliche Leben – in Deutschland und in der ganzen Welt. Alles dreht sich darum, wie die Ausbreitung des Virus gestoppt, wie Kranke versorgt und Menschen in Würde sterben können. Wie es danach weiter geht, wenn diese Pandemie vorüber ist – niemand vermag es heute zu sagen.
Der 9. April war schon vor Corona ein besonderer Tag. Genau 75 Jahre ist es her, dass der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer im Konzentrationslager Flossenbürg ermordet wurde. Vier Wochen später endete in Deutschland der Zweite Weltkrieg. Das Einzige, was damals bis zuletzt funktionierte, war die Tötungsmaschinerie der Diktatur des Nationalsozialismus. Einer bestimmten Zahl von Inhaftierten, die als „persönliche Gefangene des Führers“ – so hieß das damals – eingestuft waren, galt ein spezifisches Interesse. Sie sollten selbst dann noch sterben, wenn Deutschland längst in Trümmern lag. So kam es dann auch.
Die Henkersknechte Adolf Hitlers bereiteten am 9. April 1945 alles genauestens vor für einen qualvollen Tod am Galgen. Hingerichtet wurden damals neben Dietrich Bonhoeffer auch General Hans Oster, Admiral Wilhelm Canaris, der Offizier Ludwig Gehre und der Heeresrichter Karl Sack. Sechs Stunden dauerte die Hinrichtung, denn die bis zur Ohnmacht Strangulierten wurden ein ums andere Mal wiederbelebt, um so ihren Todeskampf noch zu verlängern. Mehr Grausamkeit und Menschenverachtung geht nicht.
Dietrich Bonhoeffer hat die Diktatur Hitlers nicht überlebt – aber seine Texte, die insgesamt siebzehn Bände füllen. Bis heute finden Interessierte inspirierende Gedanken in seinen Predigten und Vorträgen, in den wissenschaftlichen Abhandlungen, in seinen Tagebüchern und Gedichten. Auch Bonhoeffer hat über den Sinn des Lebens nachgedacht. Und Worte gefunden, die uns auch heute noch berühren – obwohl wir in einer ganz anderen Zeit leben.
Die Frage nach dem Sinn des Lebens stellt sich jeder Mensch – ob er als Christ oder Angehöriger einer anderen Religion an einen Gott glaubt oder nicht. Niemand denkt jeden Tag über diese Frage nach. Aber es gibt Situationen, da ist jeder und jede gefordert, eine persönliche Antwort zu geben. Und Krisen, wie die weltumspannende Corona-Pandemie, führen sogar noch einen Schritt weiter: Welchen Sinn soll denn, bitte, das Böse haben, das scheinbar wahllos den einen trifft, den anderen verschont?
Dietrich Bonhoeffer hat in seinem Tagebuch, das er im Gefängnis führte, folgenden Eintrag hinterlassen: „Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandkraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein. Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind, und dass es Gott nicht schwerer ist mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten. Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum/Schicksal ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.“
Wann immer ich diesen Text lese – und er fiel mir jetzt wieder in die Hände –, bekomme ich Gänsehaut. Es ist so, als hätte ihn Bonhoeffer für diesen Tag – inmitten der Corona-Pandemie – geschrieben. Was gibt mir Trost? Was macht mir Hoffnung? Und was kann ich tun? Diese Fragen stehen auch heute im Raum.
Udo Hahn
Den kompletten Vortrag von Pfr. Udo Hahn finden Sie im Video auf dem Youtube-Kanal der Akademie unter diesem Link. Er wurde in der Friedenskirche in Starnberg aufgenommen, eingeleitet von Pfr. Dr. Stefan Koch.
Hinweis: Im Verlag Butzon & Bercker ist von Udo Hahn der Band „Dietrich Bonhoeffer – Von guten Mächten wunderbar geborgen“ (124 Seiten, 9,95 Euro) erschienen.
Bild: Dietrich-Bonhoeffer im August 1935 (Foto: Internationale Bonhoeffer Gemeinschaft)