Zwischen Ökonomisierungsdruck und ethischen Herausforderungen
Es war bemerkenswert zu sehen, wie ein Arzt und eine Theologin sowohl bei den Fragen als auch bei den Antworten zu ähnlichen, gar übereinstimmenden Positionen kamen. Über die „Zukunft der Medizin“ diskutierten im Rahmen einer gemeinsam von der Evangelischen Akademie Tutzing und dem Rotary Club Tutzing am 23. März ausgerichteten Veranstaltung der Ärztliche Direktor des Universitätsklinikums Essen, Prof. Dr. Eckhard Nagel, und die Münchner Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler.
Nagel beschrieb zunächst die „Explosion des Machbaren“ – mit Stichworten wie Transplantationsmedizin, neuen Biomarkern, künstlichen Organen, personalisierter Medizin, Pränatal- und Präimplantationsdiagnostik. Nüchtern stellte er fest, dass der medizinische Fortschritt auch ökonomische Konsequenzen habe und der Kostendruck im Gesundheitswesen zu einer Priorisierung führe. „Die Schwierigkeit dieser Problemstellung hat mittlerweile ein Klima erzeugt, das den medizinischen Fortschritt insgesamt infrage stellt“, so Nagel, denn dieser werde oft als bloßer Kostentreiber gesehen. Dabei werde der Zuwachs an Lebensqualität übersehen, den er mit sich bringe. Ausdrücklich bekannte er sich zu einer „menschenwürdigen “Hochleistungsmedizin“. Gesundwerden dürfe nicht auf ein technisches oder finanzielles Problem reduziert werden.
Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler unterstrich, dass die Medizin im 21. Jahrhundert herausgefordert sei, der Ganzheitlichkeit des Menschen noch stärker gerecht zu werden. Gesundheit dürfe nicht nur als das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen definiert werden, sondern der Mensch müsse als soziales Geschöpf mit Körper, Seele Geist und seinen sozialen Bezügen gesehen werden. „Auch in unserer Gesellschaft ist Krankheit ein Armutsrisiko, das sozialen Ausschluss mit sich bringt“, so Breit-Keßler. Prof. Nagel hatte zuvor davon gesprochen, dass der Sozialstatus eine unterschiedliche Lebenserwartung nach sich ziehe. Nach Ansicht der Regionalbischöfin werde die Medizin in Zukunft noch stärker als bisher mit ethischen Problemen konfrontiert sein. Die technischen Möglichkeiten würden immer größer. „Krankheiten können nicht mehr nur geheilt, sondern auch verhindert werden.“
Prof. Dr. Eckhard Nagel, Susanne Breit-Keßler, Udo Hahn.