„Zeit, Gesicht zu zeigen“

Es fühle sich für sie „befremdlich“ an, wenn so viel über sie gesagt werde, sagte Dunja Hayali in ihren Dankesworten zur Überreichung des Toleranz-Preises in der Kategorie Zivilcourage. Haltung zu zeigen, dass sei für sie „so normal wie das Amen in der Kirche“. Sie wisse aber gleichwohl, dass es nicht an der Zeit sei, die Füße hochzulegen, sondern Gesicht zu zeigen. Sie tue das mit vielen anderen Menschen, die nicht im Scheinwerferlicht stehen – und mit denen sie diesen Preis deshalb teilen möchte.

Dankbar und mit Demut nahm die Journalistin und Moderatorin Dunja Hayali am Samstag den Toleranz-Preis der Evangelischen Akademie Tutzing in der Kategorie „Zivilcourage“ entgegen. Die Akademie würdigte damit Hayalis besonderes Engagement gegen Rassismus, Fremdenhass und Rechtsextremismus und ihr beherztes Eintreten für eine offene Gesellschaft, sagte Akademiedirektor Udo Hahn. Die Haltung Hayalis, auch andersdenkenden Menschen mit Respekt und Fairness zu begegnen, sei beispielgebend. Deshalb solle der Preis auch ein Zeichen der Ermutigung und Solidarität sein, so Hahn.

In seiner Begrüßungrede sagte Akademiedirektor Hahn: „Oft wird Toleranz ja so verstanden, dass jeder machen kann, was er oder sie will. Das genau ist mit Toleranz aber nicht gemeint. Vielmehr ist Toleranz geprägt vom aktiven Interesse am Anderen, an dem, was fremd ist. Es geht darum verstehen zu wollen, was den Andersdenkenden bewegt.“

Shermin Langhoff, Intendantin des Berliner Maxim Gorki Theaters, beschrieb in ihrer Laudatio die Preisträgerin als mutige und engagierte Journalistin. Selbst in den Kakophonien der sozialen Netze mit ihrem Zwang zur Verkürzung bemühe sich Hayali um „ein Fundament von Sachlichkeit, Fakten und Respekt“, sagte Langhoff laut Redemanuskript. Allerdings bedeute dieses „Verstehenwollen“ nicht, für alles Verständnis zu haben. Wer sich rassistisch äußere, sei, wie Hayali betont habe, „verdammt noch mal ein Rassist“.

Langhoff fand in ihrer bemerkenswerten Laudatio klare Worte für die derzeitigen Herausforderungen an die Zivilcourage, sowohl in der analogen Welt als auch in der Welt der „asozialen Medien“, wie sie diese nennt. „Der Blick in die Welt produziert gegenwärtig Verunsicherung, die Fragestellungen unserer Zeit schaffen Orientierungslosigkeit. Orientierungslosigkeit wiederum kann dazu verführen, vor der Komplexität und Diversität unserer Gesellschaft und ihrer Erzählungen zu kapitulieren und sich anfällig zu machen für die vermeintlich einfachen Lösungen und die Parolen der Reinheitsfanatiker, die ihre gepanschten Drogen des Hasses und der Feindseligkeit unters Volk zu bringen versuchen”, so Langhoff. Dem trete Dunja Hayali „mit aller Entschiedenheit entgegen“.

„Ich kann und ich will einfach auch nicht anders“

In ihren Dankesworten im Musiksaal der Akademie sagte Dunja Hayali: „Das hier ist mein Land, mein Leben und ich glaube, ich kann und ich will einfach auch nicht anders, als Zivilcourage zeigen.“ Das Schöne daran sei, dass sie damit nicht alleine ist. „Es gibt so viele tolle Menschen in diesem Land, die sich engagieren: ehrenamtlich, für Flüchtlinge, für Obdachlose, für Rentner, für Kinder – und ganz viel mehr. Und wissen Sie, was so traurig ist? Dass diese Menschen nicht wie ich jetzt im Rampenlicht stehen, dass diese Menschen nicht täglich Anerkennung und Wertschätzung bekommen. Und die haben es noch viel mehr verdient. Die halten auch jeden Tag ihr Gesicht irgendwohin oder strecken ihre Hand irgendjemand entgegen. Und was machen wir? Damit meine ich auch uns Medien und Politik. Wir richten das Scheinwerferlicht auf die, die schreien und rumkrakeelen, die destruktiv sind und die versuchen, auch an unserer Verfassung zu rütteln. Und ich glaube, es ist am wichtigsten, dass wir das Scheinwerferlicht auf all die Menschen jeden Tag richten, die dieses Land nach vorne bringen, erhalten und auch weiterentwickeln wollen. Und nicht auf die andere Seite.“ (Unter diesem Link gelangen Sie zum Video der Dankesrede auf Facebook.)

Sie teile diesen Preis für Zivilcourage aus diesem Grund „mit allen, die nicht im Scheinwerferlicht stehen, keine Anerkennung bekommen und sich dennoch engagieren, Gesicht zeigen, ihre Stimme erheben, anpacken und mehr“, twitterte Hayali nach der Preisverleihung.

Für eine besondere Stimmung während der Preisverleihung sorgte der palästinensisch-syrische Klaviervirtuose Aeham Ahmad. Im Jahr 2014/2015 erlangte er internationale Bekanntheit als „Pianist in den Trümmern“ im Flüchtlingslager Jarmuk und während des Bürgerkriegs in Syrien. Ahmad, der heute mit seiner Familie in Deutschland lebt, spielte eigene Kompositionen und ließ darin auch bekannte Melodien einfließen, etwa Mozarts A-Dur-Sonate, Beethovens „Für Elise“ oder auch „Die Gedanken sind frei“. In das Studentenlied ließ er das Publikum laut einstimmen.

Die Verleihung war eingebettet in die Tagung „Das Erzählen der Welt“, die sich Narrativen in Kunst und Literatur – aber auch im Alltag und in den Medien widmete. (Ein Bericht dazu folgt in den nächsten Tagen auf der Homepage der Akademie.)

Der nicht dotierte Toleranzpreis wird seit dem Jahr 2000 alle zwei Jahre verliehen. Die neue Kategorie „Zivilcourage“ wurde 2012 unter dem Eindruck eingeführt, dass mehr Zivilcourage gebraucht werde, wie Akademiedirektor Hahn sagte. Denn das Wesen einer Gesellschaft zeige sich im Umgang mit Minderheiten, Schutzsuchenden und Schwachen. Bisherige Preisträger in dieser Kategorie waren das Bayerische Bündnis für Toleranz, die ehrenamtliche Sprecherin des Chaos Computer Clubs, Dr. Constanze Kurz und der Kabarettist Christian Springer.

Dorothea Grass / unter Verwendung von Material des EPD

Hinweis:

Die Begrüßungsrede von Akademiedirektor Udo Hahn können Sie hier im Manuskript nachlesen.
Die Laudatio von Shermin Langhoff können Sie unter diesem Link nachlesen.

Bild: Dunja Hayali in der Evangelischen Akademie Tutzing (Foto: Haist/eat archiv)

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