“Youthless policy is useless policy!”
Die Jugendstrategie der Bundesregierung ist nicht wirklich das, was sie sein könnte, findet Lena Seelig, Jugendbotschafterin der Evangelischen Akademie Tutzing. In diesem Kommentar schreibt die 18-Jährige, was ihr in dem Papier mit dem Titel “In gemeinsamer Verantwortung: Politik für, mit und von Jugend” fehlt.
Die erste Jugendstrategie in der Geschichte der Bundesregierung wurde am 3. Dezember 2019 beschlossen. “In gemeinsamer Verantwortung: Politik für, mit und von Jugend”, so lautet der Titel, der zugleich das Leitprinzip für die Jugendstrategie bildet. In diesem Zusammenhang steht auch der Jugend-Check, ein Instrument zur Prüfung der Gesetzesentwürfe. Mehr dazu ist im Interview mit Prof. Ziekow nachzulesen (hier lesen). Mit dem Ziel einer eigenständigen Jugendpolitik wurden neben dem Jugend-Check weitere Maßnahmen beschlossen. So umfasst die Jugendstrategie 163 Maßnahmen, die in neun Handlungsfelder aufgeteilt sind. Da die Jugendstrategie die erste in der Geschichte Bundesrepublik Deutschland ist, sollte man annehmen, dass junge Leute endlich mehr Beachtung finden, einbezogen werden und integriert sind. Betrachtete ich die Handlungsfelder aber genauer, stellte ich sehr schnell ernüchtert fest, dass Ziele und Maßnahmen zwar generell lobenswert sind, es aber meiner Meinung nach an der Umsetzung scheitert.
Ich empfinde die neun Handlungsfelder der Jugendstrategie viel zu umfassend formuliert, wodurch vielen wichtigen Themenfeldern nicht genug oder sogar überhaupt keine Aufmerksamkeit zugeschrieben werden kann. So heißt ein Handlungsfeld beispielsweise “Bildung, Arbeit und Freiräume”.
Außerdem ist zu bemängeln, dass sich im Lebensbereich “Stadt und Land, Wohnen und Kultur” keine einzige Maßnahme finden lässt, die sich mit der Bezahlbarkeit von Wohnraum befasst. Im Lebensbereich “Mobilität und Digitales” bezieht sich der Nahverkehr fast ausschließlich auf Jugendliche, die auf dem Land leben. Das Handlungsfeld “Umwelt” – für das die Jugend momentan am meisten brennt – beinhaltet zwar eine Finanzierung für Bildung zum Klimaschutz und fördert einen generationenübergreifenden Dialog. Doch es bezieht sich an keiner Stelle auf die konkreten Forderungen junger Menschen, wie dem Kohleausstieg oder einer CO2-Steuer. Erwähnt werden muss auch, dass diese Strategie hauptsächlich von Abiturientinnen und Abiturienten ausgearbeitet wurde. Beteiligung der pluralen Gesellschaft? Fehlanzeige.
Die Jugendstrategie ist also nicht wirklich das, was sie sein könnte. Zugespitzt formuliert; Unkonkret, keine neuen Inhalte oder innovative Ideen, eher leere Versprechungen. Aus meiner Sicht fehlt das Interesse an einem wirklichen Austausch. Stattdessen ein Pseudoversprechen, die Jugend in Zukunft mehr einzubeziehen.
Ein Potenzial, das noch nicht ausgeschöpft wird
Zur Jugendstrategie gehört auch die Initiative “Starke Kinder und Jugendparlamente”. Die Bundesregierung fördert momentan besonders die Stärkung von Kinder- und Jugendparlamenten durch eine Initiative, um Jugendlichen eine Stimme zu geben. Das Ziel ist,””Jugendliche für Politik [zu] begeistern und die Akzeptanz unserer Demokratie [zu] stärken”. Die über 500 Kinder- und Jugendparlamente sollen gefördert werden und somit in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt werden, damit jungen Menschen eine Beteiligungsmöglichkeit geboten werden kann. Solche Einrichtungen stärken das Interesse und zeigen Jugendlichen, dass sie sich sehr wohl engagieren können.
An dieser Stelle sollten dann auch Politikerinnen und Politiker verstehen, dass junge Menschen ein Potenzial für unsere Gesellschaft sind, das noch nicht ausgeschöpft wird.
Und wieder einmal könnte man sagen, nicht die Jugend ist politikverdrossen, sondern die Politik ist jugendverdrossen.
Jugendliche haben das Recht – ja vielleicht sogar die Verantwortung, die Welt mitzugestalten. In Deutschland leben 14 Millionen Menschen zwischen 12 und 17 Jahren. Das sind 17 Prozent der Gesamtbevölkerung. Dieses Potential nicht zu nutzen, kann sich die Politik eigentlich gar nicht leisten. Wie Molière (1622-1673) zu seiner Zeit schon treffend formuliert hat: “Wir sind nicht verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.” Also: Liebe Bundesregierung, hören Sie nicht weiter weg, sondern integrieren Sie unsere Jugend in die Politik. Denn “youthless policy is useless policy”, wie es der Deutsche Bundesjugendring formuliert.
Und, liebe Jugendliche: Politik ist auch eine Holschuld. Die Jugend wird nicht integriert, indem junge Leute zuhause sitzen und darauf warten, dass sie nach ihrer Meinung gefragt werden. Um wirklich etwas bewegen zu können, müssen wir selbst die Initiative ergreifen, etwas zu verändern. Oder mit den Worten von Greta Thunberg: “You are never too small to make a difference!” Also: Let’s go! Lasst uns mitmischen und Politik machen!
Ein Kommentar von Lena Seelig,
Jugendbotschafterin der Evangelischen Akademie Tutzing
Bild: Lena Seelig (ma/eat archiv)