„Wir erleben gerade einen Sturm mit doppelter Zerstörungskraft“
Südafrika ist ein Land mit vielen Widersprüchen: eine Mischung aus Erster und Dritter Welt – und derzeit von allen Ländern Afrikas am stärksten von der Corona-Pandemie betroffen. Dr. Renier Koegelenberg (Stellenbosch bei Kapstadt) leitet eine interreligiöse Organisation, die u.a. Hilfsprogramme gegen HIV/Aids und Tuberkulose aufgesetzt hat. Seit 27. März gelten in Südafrika strikte Ausgangsbeschränkungen. Im Interview berichtet der Geschäftsführende Direktor der Ecumenical Foundation of Southern Africa, die mit der Evangelischen Akademie Tutzing eine Partnerschaft unterhält, wie es den Menschen am Kap gerade geht.
Evangelische Akademie Tutzing: Herr Dr. Koegelenberg, am 27. März hat die Regierung Südafrikas für 21 Tage eine strikte Ausgangssperre verhängt. Zuallererst die Frage: Wie geht es Ihnen persönlich?
Renier Koegelenberg: Mir geht es sehr gut. In einem Haus mit Garten zu leben und genug Platz für die ganze Familie haben zu können, ist ein großes Privileg in Südafrika. Wir sind alle gesund. Es ist eine Herausforderung, plötzlich alles von zu Hause aus, die Arbeit über elektronische oder soziale Medien zu erledigen. Und es ist ermutigend, zu sehen, dass dies möglich ist.
Südafrika ist nach aktuellem Stand in Afrika das am stärksten von der Corona-Pandemie betroffene Land. Was sind die Ursachen?
Südafrika ist das am stärksten industrialisierte Land in Afrika – mit moderner Infrastruktur und vielen weltweiten Partnerschaften. Wir sind auch eines der beliebtesten Reiseziele der Welt – viele internationale Flüge kommen in Städten wie Johannesburg, Kapstadt und Durban an. Die ersten Covid 19-Virusinfektionen wurden registriert, als Familien von einem Skiurlaub in Italien zurückkehrten. Die ersten Infektionen wurden bei Südafrikanern festgestellt, die aus England, Deutschland, der Schweiz oder Italien nach Hause zurückkehrten – und auch bei mehreren ausländischen Touristengruppen, die Südafrika besuchten. Eine Weinprobe für eine niederländischen Reisegruppe führte zu den ersten Infektionen in einigen unserer namhaften Weingüter in Stellenbosch.
Die immer stärkere Verstädterung erhöht das Risiko für die Bevölkerung, dass sich die Krankheit schnell ausbreitet. In den sehr dicht besiedelten „Townships“ leben Südafrikaner und Flüchtlinge aus Nachbarländern in kleinen Hütten auf engstem Raum. Und gerade sie sind besonders angewiesen auf die Fahrt mit dem Zug, Bus und Minibus-Taxis.
Wie gehen die Menschen in Südafrika mit der Ausgangssperre um?
Es gibt positive und negative Erfahrungen: Viele der von der Regierung veröffentlichten Richtlinien zur Regelung der Ausgangssperre – Aufenthalt im Haus, es sei denn, sie müssen Lebensmittel kaufen oder benötigen Medikamente – sind nicht klar. Und fast täglich werden neue Änderungen angekündigt. Es gibt zum Beispiel eine ständige Debatte darüber, welche „wesentlichen Dienstleistungen“ für Unternehmen offen bleiben können – wie Lebensmittelgeschäfte und Apotheken.
Alle Gottesdienste – mit Ausnahme von Beerdigungen, für die besondere Maßnahmen zur Begrenzung der Teilnehmerzahl gelten –, Hotels, Restaurants und Bars sind geschlossen. Und es ist den Menschen nicht gestattet, Tabakwaren oder Spirituosen zu kaufen. Viele Kirchen nutzen jetzt verstärkt das Internet, produzieren Podcasts und bieten Gottesdienste und Bibelstudien online.
In vielen Vororten und Kleinstädten halten sich die Menschen im Allgemeinen an die Ausgangssperre. Sie dürfen ja nicht einmal mit ihrem Hund spazieren gehen. In einigen Fällen scheinen die Maßnahmen unnötig extrem zu sein. Sie setzen nicht auf Freiwilligkeit, sondern geben Polizei und Behörden absolute Befugnisse zur Durchsetzung. Alle Maßnahmen – das ist schon nach ein paar Tagen klar – haben verheerende Auswirkungen auf die meisten Wirtschaftszweige.
Lassen sich denn die neuen Regeln – zu anderen Menschen Abstand halten – in den Townships überhaupt praktizieren?
In den großen, sehr dicht besiedelten Townships rund um die Städte ist es fast unmöglich, diese Regelungen einzuhalten. Die Metallhütten sind klein. Viele Personen – nicht selten fünf bis zehn – teilen sich je nach Größe der Hütten einen Raum. Daher tummeln sich Menschen in großer Zahl. Der geforderte Abstand von mindestens einem Meter zu anderen ist praktisch nicht machbar. Dies ist insbesondere ein Problem für die Minibus-Taxis, die Menschen in die Städte bringen. Obwohl sie versuchen, sich auf 70 Prozent der Kapazität zu beschränken, sind die Taxis bekanntermaßen überfüllt und schwer zu überwachen. Dies stellt ein ernstes Risiko für die Ausbreitung des Virus dar. Und es ist einer der Gründe, warum die Regierung Tests für Taxis und bestimmte Hotspots in den Townships in der Nähe von Städten, etwa in Alexandra bei Johannesburg und Kayalitsha bei Kapstadt vorrangig behandelt.
Was bedeutet die gegenwärtige Lage für die Armen im Land, die sich nichts zu essen kaufen können, wenn sie keine Arbeit finden?
Es ist eine besondere Herausforderung, sich in dieser außergewöhnlichen Lage mit Essen versorgen zu können. Insbesondere die Ärmsten sind gezwungen, sich „unter der Hand“ Arbeitsmöglichkeiten suchen. Ich denke hier vor allem an die „informellen Händler“. Häufig sind das Frauen, deren Obststände in der Nähe von Taxiständen liegen, die selbstständig sind und sich um Kinder und Enkelkinder kümmern müssen. Ohne dieses Einkommen können sie nicht überleben. Einige der Vorschriften für diese Händler wurden jetzt gelockert. Da aber weniger Menschen reisen, kommen sie nicht annähernd auf die Einnahmen, die sie bräuchten.
Es gibt Gott sei Dank positive Erfahrungen, dass Familien, die Hausangestellte oder Reinigungskräfte beschäftigen, diese weiterhin bezahlen, ihnen Geld überweisen und sie mit Lebensmitteln unterstützen, auch wenn sie nicht zur Arbeit kommen dürfen. Gleichzeitig haben Teilzeitbeschäftigte in der Garten-, Bau- und Hotelbranche (Zimmerservice und Restaurants) überhaupt kein Einkommen. Viele dieser Unternehmen – kleine, mittlere und große Ketten – haben ernsthafte Probleme, ihre Arbeitnehmer zu bezahlen. Und diese Situation spitzt sich weiter zu, je länger sie schließen müssen.
Sie haben 1997 die National Religious Association for Social Development (NRASD) gegründet – eine interreligiöse Organisation, die unter anderem Hilfsprogramme gegen HIV/Aids und Tuberkulose aufgesetzt hat. Warum braucht Südafrika die Unterstützung einer interreligiösen Initiative im Gesundheitswesen?
Südafrika ist ein Land mit vielen Widersprüchen – eine Mischung aus Erster und Dritter Welt. Einerseits haben wir gute Universitäten, die international anerkannt sind – insbesondere im Blick auf medizinische Forschung und Ausbildung. Wir haben einen ausgezeichneten privaten Gesundheitssektor – mit hochqualifizierten Fachleuten und modernen Einrichtungen und Ablegern in Europa. Für die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger, die keine Krankenversicherung haben, ist das alles freilich viel zu teuer.
Auf der anderen Seite versagt das öffentliche Gesundheitssystem vielen armen Südafrikanern das Nötigste – hauptsächlich aufgrund eines chronischen Mangels an medizinischem Personal (Ärzten und Krankenschwestern) – insbesondere in ländlichen Gebieten. Die Lage wird noch dadurch verschärft, dass zu wenig für die Instandhaltung öffentlicher Krankenhäuser und Kliniken getan wird und es zu Lieferengpässen und sogar zu Ausfällen bei der Versorgung mit grundlegenden Medikamenten kommt. Ein aktuelles Beispiel: In der Provinz Kwazulu Natal gab es mehrere Monate lang keine Onkologen in öffentlichen Krankenhäusern. Aufgrund der Probleme bei der ungenügenden Wartung wichtiger Diagnose- und Behandlungsgeräte sind alle in private Krankenhäuser gewechselt.
Wo liegen weitere Herausforderungen im Gesundheitsbereich?
Wir sind nicht nur von Pandemien wie HIV / AIDS und TBC betroffen, sondern leiden auch unter einer Zunahme von Krankheiten wie Bluthochdruck und Diabetes, wie es weltweit der Fall ist.
Gesundheitserziehung, Behandlung und Einhaltung der Behandlungspläne sowie Unterstützung im Kampf gegen HIV und AIDS haben sich auf lokaler Ebene als am effektivsten erwiesen – dort, wo Kirchen und Glaubensgemeinschaften präsent sind.
Es ist gut dokumentiert, dass die Kirchen die ersten Krankenpflegeschulen und Ausbildungsprogramme für Ärzte gestartet haben und bis heute die Menschen in den entlegensten Regionen des Landes erreichen. Kirchen und Glaubensgemeinschaften sind in allen Regionen Südafrikas am besten in der Lage, eine grundlegende Gesundheitserziehung sowie – in Zusammenarbeit mit den Gesundheitsämtern – die Behandlung chronischer Krankheiten anzubieten.
Es besteht die ernste Sorge, dass die in öffentlichen Krankenhäusern tätigen Krankenschwestern und Ärzte nicht über genügend Schutzkleidung verfügen, um mit der Zunahme der Corona-Fälle fertig zu werden. Es besteht auch die tiefe Besorgnis, dass wir einfach nicht genügend Testkits oder Laboratorien zur Verfügung haben, um mit einem plötzlichen und enormen Anstieg der Nachfrage nach Tests fertig zu werden.
Unser Gesundheitsminister, Dr. Zweli Mkhize, warnt die Öffentlichkeit ständig, dass wir mit einer Zunahme von Infektionen und möglichen Todesfällen rechnen müssen – dass wir den Höhepunkt der Virusinfektionen in Südafrika noch lange nicht erreicht haben. Es ist zu befürchten, dass die Lage viel schlimmer wird, trotz aller Versuche, die Pandemie einzudämmen.
Was bedeutet die Ausgangsperre für die Aktivitäten der NRASD?
Konferenzen, Konsultationen und Seminare bilden einen wichtigen Teil unserer Arbeit, der sich an Menschen wendet, die in den Kirchen und Glaubensgemeinschaften auf unterschiedlichen Ebenen Verantwortung tragen. Das Themenspektrum, das wir bearbeiten, ist jetzt um den Austausch der neuesten Forschungsergebnisse – wie die aktuellen Covid 19-Maßnahmen zum Selbstschutz – erweitert.
Obwohl wir uns derzeit nicht persönlich treffen können, nutzen wir elektronische Medien und regelmäßige E-Mail-Newsletter, um weiterhin zu informieren und in einigen Bereichen sogar praktische Hilfsprogramme zur Bereitstellung von Lebensmitteln zu organisieren. Wir haben über viele Jahre starke Netzwerke aufgebaut, die wir in Zeiten wie diesen nutzen können. Wir haben auch mit der Forschung begonnen, welche Auswirkungen die Covid-19-Pandemie auf Politik und Wirtschaft haben wird.
Südafrika befindet sich seit geraumer Zeit in einer Wirtschaftskrise. Die Industrieproduktion ist weiter rückläufig, die Zahl der Arbeitslosen stieg im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahr von 27,1 Prozent auf 29,1 Prozent. Welche Auswirkungen der Corona-Pandemie erwarten Sie für die Wirtschaft Südafrikas?
Tatsächlich befand sich Südafrika bereits in einer sehr schweren Wirtschaftskrise, noch bevor sich die Covid 19-Pandemie abzeichnete. Die Ursache hierfür liegt in einer Häufung falscher oder schlechter politischer und wirtschaftspolitischer Entscheidungen in den letzten 25 Jahren in unserer sich nach dem Ende der Apartheid entwickelnden Demokratie. So wuchs die Zahl der Beamten explosionsartig, darüber hinaus wurden öffentliche Gehälter ausbezahlt, die dreimal höher waren als in anderen Ländern mit vergleichbaren Volkswirtschaften. Und das ohne Verbesserung der Grundversorgung – sieht man einmal von den Sozialzuschüssen für arme Familien und der Bereitstellung von Wasser und Strom in den Townships ab. Unerfahrene hochrangige ANC-Parteimitglieder wurden zu Geschäftsführern staatlicher Unternehmen befördert – und fuhren Milliardenverluste ein. Das war zum Beispiel bei South African Airways (SAA), bei der Stromversorgungskommission (ESCOM) und bei der Passenger Rail Agency of South Africa (PRASA) der Fall.
Wie konnte es dazu kommen?
In guter Absicht vorgenommene Maßnahmen zur Korrektur des historischen Ausschlusses der schwarzen Bevölkerung von wirtschaftlichen und Bildungschancen – durch bevorzugte Lieferkettenverträge mit staatlichen Stellen (Teil der Black Economic Empowerment [BEE]-Gesetzgebung) – führten dazu, dass sich ein Kreis von „politisch verbundenen Unternehmern“ bereicherte, ohne dass die Mehrheit der schwarzen Bevölkerung etwas davon gehabt hätte. In einigen Fällen ist sogar das Gegenteil eingetreten: Unerfahrene Beschäftigte haben vereinzelt für Verschlechterungen gesorgt. So sind die ESCOM-Kraftwerke nicht gut gewartet worden und befinden sich in einem schlechten Zustand. Die täglichen Stromausfälle sind der Beleg. Ein weiteres Problem: Die Versäumnisse von Gemeinderäten, von hochbezahlten Bürokraten in Kleinstädten, führten dazu, dass die Wasser- und Abwasserdienstleistungen dringend verbessert werden müssen.
Populistische politische Entscheidungen, um frustrierten schwarzen Wählern zu gefallen – wie die Vorschläge zur Änderung der Verfassung, um dem Staat die Befugnis zu geben, privates Land entschädigungslos zu enteignen – erhöhen die Unsicherheit, die lokalen und ausländischen Investitionen schadet.
Leider befindet sich die südafrikanische Wirtschaft nach mehr als zehn Jahren katastrophalen Managements und Korruption unter dem ehemaligen Präsidenten Jacob Zuma in einer ernsthaften Krise. Ausdruck dafür ist die Herabstufung der Kreditwürdigkeit unserer Regierung und der aller großen Banken und Staatsunternehmen auf den Junk-Status von allen internationalen Ratingagenturen – wie Fitch und Moody‘s. Die Folgen dieser verlorenen Jahre schwächten die staatlichen Institutionen und erschöpften die öffentlichen Mittel – was der derzeitige Präsident Cyril Ramaphosa zu korrigieren versucht. Seine Reformpläne setzen sich nur langsam durch, wenngleich sie schon zu wirken beginnen. Allerdings sind viele hochrangige ANC-Vertreter noch nicht wegen Missmanagements oder Betrugs strafrechtlich verfolgt worden. Das gilt auch für aktuelle Parlamentsabgeordnete.
Positiv zu vermerken ist, dass die Nationalbank den Zinssatz gesenkt hat, um die Wirtschaft anzukurbeln. Viele Versicherungsunternehmen und Banken haben Zahlungsaufschub bei der Rückzahlung von Krediten oder Policen für einen begrenzten Zeitraum angeboten. Mehrere der bekanntesten wohlhabenden Familien – Oppenheimer, Rupert, Motsepe – spendeten rund sechs Milliarden Rand aus ihrem Privatvermögen, um den von Präsident Ramaphosa geschaffenen „Solidaritätsfonds“ zu unterstützen – für Maßnahmen zur Gewährung von Zuschüssen und Darlehen an Arbeitnehmer und kleine Unternehmen in dieser sehr schwierigen wirtschaftlichen Lage.
Wir erleben gerade einen Sturm mit doppelter Zerstörungskraft: eine sehr ernste Wirtschaftskrise, die die staatlichen Institutionen, einschließlich der Gesundheits- und Sozialdienste, geschwächt hat – zu der eine sehr gefährliche Virus-Pandemie hinzugekommen ist.
Durch die strikte Ausgangssperre werden auch in Südafrika zentrale Bürgerrechte eingeschränkt. Was bedeutet dies für die Gesellschaft insgesamt?
Zunächst einmal ist festzuhalten: Die Maßnahmen, die Präsident Ramaphosa nach eingehenden Konsultationen mit Oppositionsparteien, Kirchen und Unternehmensnetzwerken ergriffen hat, um Sofortmaßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Virus einzuleiten, treffen auf Zustimmung in der Bevölkerung. Mehr noch: Sein beherztes und entschiedenes Handeln schuf Vertrauen.
Das gilt nicht für mehrere seiner hochrangigen Kabinettsminister, die für Polizei, Verkehr und soziale Entwicklung verantwortlich sind. Ihre fast Ad hoc- und manchmal unlogischen Entscheidungen, wie besondere Maßnahmen, die den Verkauf von Tabakprodukten, Spirituosen oder sogar den Export von Wein verbieten wollten, trugen nicht zur Beruhigung bei, sondern ließen die Alarmglocken läuten. So stieg der Handel mit illegalen Zigaretten – ein großes Problem in Südafrika – und Alkohol, während die offiziellen Verkaufsstellen in einem rechtlichen Rahmen funktionieren, der besteuert und überwacht wird. Manche Maßnahmen führten auch zu einer Zunahme von Gewalt und Missbrauch in instabilen Familien, was nur sehr schwer zu überwachen ist.
In dieser Lage kommt den Kirchen und Glaubensgemeinschaften eine besondere Bedeutung zu. Sie können solche Missbrauchsfälle dokumentieren und getroffenen Sofortmaßnahmen bewerten.
Wie reagieren die Kirchen Südafrikas auf die aktuelle Herausforderung durch die Corona-Pandemie?
Es ist eine enorme Aufgabe, die sich direkt auf den Dienst der meisten Kirchen auswirkt – insbesondere auf die normalen Gottesdienste in Kirchen oder besondere Ereignisse wie Beerdigungen. Die meisten Kirchen haben – wie schon gesagt – inzwischen alternative Kommunikationswege über das Internet oder andere Medien gefunden. Die Beratung durch Telefonanrufe oder WhatsApp-Gruppen ist förmlich explodiert.
Auf einer sehr praktischen Ebene haben viele Kirchen ihre Sozial- und Ernährungsdienste als „besondere Dienste“ registriert, die älteren Menschen oder schutzbedürftigen Familien, die kein Einkommen haben, Lebensmittelpakete und Medikamente bringen dürfen. Das Teilen von Lebensmittelpaketen geht über die Mitglieder der jeweiligen Kirche hinaus – zugunsten der am stärksten gefährdeten Personen in der Gesellschaft.
Die NRASD ist eine Initiative der Ecumenical Foundation of Southern Africa – und die EFSA ist mit der Evangelischen Akademie Tutzing durch einen Partnerschaftsvertrag verbunden. Was bedeutet diese Partnerschaft für Ihre Arbeit?
Die formelle Zusammenarbeit zwischen der Evangelischen Akademie Tutzing und dem EFSA-Institut hat nicht nur viele unserer Konferenzen als Partner geprägt und beeinflusst, sondern auch die Konferenzen von Kirchenführern, Unternehmer und Politikern in Südafrika. Wer je die Evangelische Akademie Tutzing im Rahmen unserer Konsultationen besuchte, wurde bereichert und tauschte diese Erfahrungen auf anderen internationalen Plattformen aus.
Die aktuelle Covid 19-Pandemie ist ein Beleg für die Richtigkeit zweier Wahrheiten, die in unseren zahlreichen Foren und Diskussionen in Tutzing und Südafrika wiederholt angesprochen wurden: Erstens die gegenseitige Abhängigkeit und Verbundenheit aller Länder der Welt, des Nordens und des Südens – was wir an den Folgen des Klimawandels gesehen haben und an den heutigen Flüchtlingsbewegungen. Dies alles zeigt, dass Krankheiten keine Grenzen kennen und auch nicht zwischen Einkommensniveaus oder dem Status in der Gesellschaft unterscheiden. Zweitens: Dass kein Sektor allein die Probleme, mit denen wir konfrontiert sind – weder Regierungen noch Unternehmen oder kirchliche Netzwerke –, alleine lösen kann. Wir müssen einen ständigen Dialog und Wege und Mittel zur formellen Zusammenarbeit fördern, um den globalen und lokalen Herausforderungen zu begegnen. In diesem Sinne wird die fortgesetzte Zusammenarbeit zwischen der Evangelischen Akademie Tutzing und dem EFSA-Institut Teil des globalen Dialogs über die Lehren aus der aktuellen Covid 19-Pandemie sein.
Das Interview führte Udo Hahn, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing, am 7. April 2020.
Bild: Renier Koegelenberg während der Südafrika-Tagung “Religion und Staat – zwischen Kooption und Kooperation” im Februar 2019 an der Evangelischen Akademie Tutzing. (Foto: Haist/eat archiv)