„Wir dürfen Trump nicht unterschätzen“
Im Podiumsgespräch „Aus aktuellem Anlass“ tauschten sich am Montagabend der Journalist Stefan Kornelius und der Politikexperte Dr. Josef Braml zum Thema „USA – Quo vadis?“ aus. Moderiert wurde das Gespräch von Akademiedirektor Udo Hahn.
In einem knappen Monat wird dem US-amerikanischen Präsidenten eine Art Zwischenzeugnis ausgestellt. Die „midterm elections“ am 6. November gelten als Stimmungsbarometer für die US-Präsidentschaft – auch wenn es eigentlich um die Sitze im Repräsentantenhaus und ein Drittel der Sitze des Senats geht.
Im voll besetzten Auditorium der Evangelischen Akademie Tutzing warnte Dr. Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. (DGAP) davor, Trump zu unterschätzen. Der zur Schau gestellte „Wahnsinn“ der Trump-Regierung habe durchaus Methode. Dem US-Präsidenten gehe es um das, was er seit seiner Kandidatur betont habe: „America first“. Er verfolge industrielle Interessen und einen radikalen Abbau des Staates – eine vollständige Deregulierung. Dafür stehe auch die Einsetzung von Brett Kavanaugh als Richter am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten.
„Wir müssen mit dem Ungewissen leben“
Trumps Politik sei geprägt von einem „merkantilistischen Nullsummendenken“. Nach dieser Auffassung haben Staaten keine Freunde, sondern Interessen, so Braml. Das sei auch der Grund, warum für die Regierung Trump althergebrachte Bündnisse wie die Nato, Uno oder auch WHO nichts mehr bedeuteten. Braml widersprach dem Leiter des Außenpolitik-Ressorts der Süddeutschen Zeitung, Stefan Kornelius, darin, dass es Trump an strategischem Denken mangele. Kornelius attestierte Trump dagegen ein „Gespür für Stimmungen“. Mit dem „Ungewissen“, das derzeit von der US-Politik ausgehe, müsse man „leben“. Das gelte auch für ihn selbst: Mit seiner Prognose, Trump werde sich keine anderthalb Jahre als US-Präsident halten, sei er einem dramatischen Irrtum erlegen, so Kornelius.
Beide Experten sind sich darin einig, dass Trump bei aller Kritik aus dem Ausland im eigenen Land vor allem Rückhalt bei finanzstarken Unternehmern der Militär- oder auch Gas- und Ölindustrie genieße. Auch die Rolle der evangelikalen Christen sei nicht zu unterschätzen. Was Trump darüber hinaus in die Karten spiele, sei der grassierende Kulturkampf im Land, der aus den gravierenden innenpolitischen und sozialen Problemen des Landes resultiere. Sie zeige sich auch in der Anti-Eliten-Haltung, die der Präsident verkörpere. Aus dem Gefühl der Entmündigung bei breiten Massen der Bevölkerung habe Trump ein „Wir gegen die“-Denken mobilisieren können. So sei es dazu gekommen, dass „der Mann, der im Weißen Haus sitzt, dort sitzt, um es zu bekämpfen.“, bringt es Kornelius auf den Punkt.
Europäische Wertvorstellungen als Maßstäbe für die US-Außenpolitik zu beschwören, helfe im Moment nicht weiter, so der Politologe Braml. Deutschland und Europa müssten ein Stück weit lernen zu akzeptieren, wie es ist – gleichzeitig aber auch lernen, sich gegen Bedrohungen wirtschaftlicher und geopolitischer Art zu schützen.
Im Bild: Dr. Josef Braml, Stefan Kornelius und Udo Hahn (v.l.n.r.) (Foto: dgr/eat archiv)