Welche Medienbildung brauchen wir?
Medien verändern unser Leben. Das ist eine Binsenweisheit. Daraus ergibt sich die Frage: „Welche Medienbildung brauchen wir?“ Sie stand im Mittelpunkt des 5. Medienforums der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern am 15./16. November 2017 in der Evangelischen Akademie Tutzing. Das Ergebnis der Beratungen: Experten aus Kirche, Medien, Schule und Politik sind sich einig, dass angesichts des digitalen Wandels mehr Anstrengungen im Bereich der Medienbildung unternommen werden müssen.
Oberkirchenrat Detlev Bierbaum sagte zu Beginn, Medienbildung sei in Zeiten sich immer schneller entwickelnder Kommunikationstechnologien wichtiger denn je. Es gehe nicht darum, die neuen Technologien zu verteufeln, „ihr Nutzen ist ja an vielen Stellen unbestritten“, sagte Theologe, der in der bayerischen Landeskirche für Bildung und Medien zuständig ist, am Mittwoch beim Medienforum der Landeskirche in der Evangelischen Akademie Tutzing laut Manuskript. „Dennoch: Manchmal bedeutet Bildung, gerade im aufklärerischen Sinne, auch einmal auf die Spaßbremse zu treten.“
Es sei ihm ein Anliegen, dass Christen im Gespräch mit Bildungseinrichtungen und kulturellen Institutionen über neue Kommunikationsmöglichkeiten blieben, sagte Bierbaum. Denn Bildung helfe etwa dabei, zu unterscheiden, was Fake News seien und was real News. Außerdem helfe Bildung, eigenverantwortlich zu handeln: „Muss ich jeden Klick zur Datensammlung auf meinem Handy auch betätigen? Muss ich jede Information über mich gedanken- und damit auch bedenkenlos per Daumenwisch freigeben?“ Der Mensch benötige die Fähigkeit, auswählen zu können zwischen unzähligen Quellen. „Das erfordert Urteilskraft und Befähigung“, betonte Bierbaum.
Es reiche eben nicht, zu wissen, was Social Media seien oder wie Big Data funktioniere, sagte Bierbaum weiter. „Sondern ich muss als Nutzer und als Nutzerin auch eine individuelle Haltung dazu entwickeln.“ Das gelinge, „wenn ich das Wissen, das überall zugänglich und an vielen Stellen sogar überfordernd viel zugänglich ist, gut sortieren, einordnen und reflektieren kann, um daraus eine kluge Haltung einzunehmen“, sagte der Oberkirchenrat.
Die Vermittlung von Medienkompetenz muss nach Überzeugung des BLM-Präsidenten Siegfried Schneider Aufgabe der Medien selbst sein. Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) nehme deshalb diesen Auftrag sehr ernst, sagte Schneider. Dabei stünden als Zielgruppe vor allem die jungen Menschen im Mittelpunkt, die zwar eine hohe technische Kompetenz hätten, Informationen und Daten aber nur schwer einordnen könnten. Daten seien jedoch „das Öl der digitalen Zeit“, weil der Nutzer beispielsweise für Informationen im Internet mit seinen Daten bezahle. „Jeder Click ist ein Fingerabdruck“, wodurch eine personalisierte Werbung ermöglicht werde, sagte der BLM-Präsident. Die Politik müsse deshalb Rahmenbedingungen für eine größere „Nutzerautonomie“ schaffen, damit der Nutzer selbst über die Weitergabe und Verwendung seiner Daten bestimmen könne.
Zur Medienkompetenz gehört nach den Worten Schneiders, dem Nutzer transparent zu machen, welche Verflechtungen es zwischen Privatsendern und Unternehmen gebe. Als Beispiel nannte er stern-TV und Bertelsmann. Bei ihren Bemühungen um Medienkompetenz habe die BLM Schneider zufolge gleichermaßen die Schulen wie auch die Eltern im Blick. In 15.000 bayerischen Schulen gebe es Unterlagen für den „Medienführerschein Bayern“, ein Netz von über 60 Referenten informiere die Eltern.
Die evangelische Medienexpertin Johanna Haberer hat in ihrem Vortrag zu einem reflektierten Umgang mit modernen Kommunikationstechnologien aufgerufen. Sie hätten den Alltag in den vergangenen Jahren schleichend, aber vollständig verändert, sagte die Erlanger Professorin für Christliche Publizistik. „Es geht alles sofort“, mahnte Haberer. Eine unverschämte E-Mail des Kollegen werde unmittelbar ebenso unverschämt beantwortet. In der digitalen Welt gelte zu oft das Prinzip „Reflex statt Reflexion“, aus dem viele Missverständnisse entstünden. Das sei besonders problematisch, da das Internet ein unendliches Gedächtnis habe, betonte Haberer. Menschen, die sich einen Fehltritt erlaubt hätten und Opfer eines Shitstorms geworden seien, trügen das ein Leben lang mit sich rum. Eine zentrale Frage der christlichen Medienbildung sei deshalb: „Vergebung und Neuanfang – wie geht das in der digitalen Welt?“
„Ohne Medien ist Bildung nicht möglich“, erklärte die Bildungswissenschaftlerin Manuela Pietraß von der Bundeswehr-Universität in München. Pietraß zufolge gibt es zwei Formen des Medienwandels: Zum einen entwickelten sich Medien weiter. Dazu gehöre etwa die Möglichkeit, flexibel, individuell und ortsunabhängig zu lernen. Eine der negativen Folgen seien die „entfesselte Kommunikation“ oder Fake News. Pietraß forderte eine umfassende Medienbildung an Schulen. Kinder und Jugendliche sollten alle Formen von Medien verwenden und nutzen. Zugleich sei es wichtig, die Rückbindung an die soziale Zusammenhänge und reale Welten zu schaffen. „Ein Kind, dass im Netz gemobbt wird, muss in der realen Welt Rückhalt bekommen“, so Pietraß.
Die Tagung wurde von der Landeskirche, der Evangelischen Akademie Tutzing und der Friedrich-Alexander-Universität-Erlangen-Nürnberg veranstaltet.
Führte ins Thema ein: Oberkrichenrat Detlev Bierbaum
Die Podiumsdiskussion bündelte die Einsichten: Prof. Dr. Manuela Pietraß, Siegfried Schneider, Katharina Schulze MdL, Aexander Jungkunz, Burkard Schäfers, Georg Eisenreich MdL …
… Simone Fleischmann und KR Dr. Daniel Dietzfelbinger
Georg Eisenreich MdL und Simone Fleischmann
Siegfried Schneider, Katharina Schulze MdL, Aexander Jungkunz