Sommertagung des Politischen Clubs
Flüchtlinge brauchen Schuldnerberatung
Den Flüchtlingen machen nach Beobachtung des bayerischen Diakoniepräsidenten Michael Bammessel vor allem die Probleme des Alltags, wie die Suche nach einer Wohnung und nach Arbeit, zu schaffen. Ein zunehmendes Problem sei auch die Miete, die von den Flüchtlingen für ihre Unterkunft in einem Heim gezahlt werden müsse, wenn sie eine Arbeit gefunden haben, erläuterte Bammessel zum Auftakt des Politischen Clubs der Evangelischen Akademie Tutzing zum Thema „Was eigentlich heißt Integration?“. Dadurch könnten für eine sechsköpfige Familie monatlich Kosten in Höhe von 1.200 Euro anfallen, wofür der Familienvater von seinem eher geringfügigen Verdienst kaum aufkommen könne.
In den Gemeinschaftsunterkünften leben Bammessel zufolge inzwischen 70.000 “Fehlbeleger”. Sie seien häufig mit den Mietzahlungen, die auch rückwirkend erhoben würden, überfordert. Deshalb spiele bei der Betreuung der Flüchtlinge die Schuldnerberatung eine immer größere Rolle. Weil die Beratung der Flüchtlinge, etwa beim Umgang mit Behörden, immer wichtiger werde, habe die bayerische Diakonie ihre Asylsozialberatung in den letzten Jahren von 17 Vollzeitstellen auf jetzt 143 Stellen ausgebaut, sagte der Diakoniepräsident. Bei der Unterstützung der Flüchtlinge stehe Bammessel zufolge der Hilfsgedanke im Mittelpunkt und nicht die Mission. Denn es gehöre zum christlichen Profil, Menschen in Not beizustehen, egal welcher Religion sie angehören. (epd vom 17.06.2017)
Integration ist kein Sprint, sondern ein Dauerlauf
Die Integration der Flüchtlinge ist kein Sprint, sondern ein Dauerlauf. Mit diesem Bild beschrieb die Präsidentin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Jutta Cordt, bei der Sommertagung des Politischen Clubs der Evangelischen Akademie Tutzing den Umfang der noch vorausliegenden Aufgaben für Politik und Gesellschaft. Auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sprach von einer “jahrelangen Herausforderung”.
Denn es müssten nicht nur hochqualifizierte Menschen in den Arbeitsmarkt geführt werden, sondern auch Menschen mit einem sehr geringen Bildungsgrad, sagte Herrmann. Außerdem ließen sich nicht Wohnungen für Tausende von Menschen über Nacht aus dem Boden stampfen. Dabei dürften die einheimische Bevölkerung und die Flüchtlinge nicht gegeneinander ausgespielt werden. Deshalb gelte das bayerische Wohnungsbauprogramm mit einem Volumen von insgesamt 2,6 Milliarden Euro auch für alle Menschen, die auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum sind, sagte der Minister im Politischen Club.
Ein wesentliches Prinzip des Rechtsstaates sei, dass verfolgte Menschen in Deutschland Aufnahme und Schutz finden, betonte Herrmann. Dazu gehöre dann aber auch, dass Menschen, die nicht als Asylberechtigte anerkannt werden, das Land auch wieder verlassen. Ansonsten könnte das Vertrauen der Menschen in den Rechtsstaat schwinden. Als Grundlage für Integration müsse sich die Gesellschaft klar sein, welche Werte sie als verbindlich ansieht, sagte Herrmann. Dadurch könne auch vermieden werden, dass Parallel-Gesellschaften entstehen.
Die Zuwanderung braucht aber ebenfalls eindeutige rechtliche Rahmenbedingungen, wie die Staatsministerin Aydan Özoguz (SPD) betonte. Deshalb sprach sie sich für ein Einwanderungsgesetz und ein eigenes Einwanderungs-Ministerium aus. Es würde die Integration erleichtern, wenn die vielen Regelungen in diesem Bereich in ein modernes, transparentes Einwanderungsgesetz gegossen werden könnten. Ein eigenes Ministerium hätte die Möglichkeit, Gesetzesvorschläge auf den Weg zu bringen. Bisher sei sie für eine Gesetzes-Initiative auf die Unterstützung eines anderen Ministeriums angewiesen, sagte die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration.
Die Dauer der Asylverfahren ist laut BAMF-Präsidentin Jutta Cordt deutlich zurückgegangen. Ein durchschnittliches Verfahren dauere inzwischen nur noch 1,4 Monate. Momentan seien 8.000 Mitarbeiter im BAMF tätig, davon 3.000 als Entscheider. Die Zahl der Mitarbeiter habe 2015 noch bei 2.000 gelegen und sei vor allem durch Abstellungen aus anderen Behörden wegen des großen Bedarfs aufgestockt worden. Falls es in Zukunft wieder zu Ausnahme-Situationen kommen sollte, sei eine “Personalreserve” von geschulten Mitarbeitern nötig.
Für die Asylverfahren von konvertierten Flüchtlingen brauche das Bundesamt mehr christliche Dolmetscher. Denn bei diesen Verfahren müssten die Übersetzer mit den Inhalten und den Fachbegriffen des christlichen Glaubens vertraut sein. Das Bundesamt könne nicht die Ernsthaftigkeit oder die inneren Beweggründe eines Flüchtlings für den Glaubensübertritt überprüfen und einschätzen. Deshalb sei die Grundlage der Asyl-Entscheidung, wie der Flüchtling seinen christlichen Glauben lebe und welche Gefahren ihm in seinem Herkunftsland drohen könnten, erläuterte Cordt. (epd vom 18.06.2017)
Einen ausführlichen Tagungsbericht erhalten Sie -> hier.
Einen Bericht von Thomas Schorr in der Abendschau des Bayerischen Fernsehens finden Sie -> hier.
Foto: Dr. Wolfgang Thierse, Jutta Cordt, Aydan Özoguz und Akademiedirektor Udo Hahn (v.l.) (c) Haist
Michael Bammessel, Präsident des Diakonischen Werks Bayern e.V., resümierte: “Integration ist das Abenteuer wechselseitiger Beeinflussung”. Wichtig sei für die Flüchtlinge insbesondere eine Schuldnerberatung, denn sie müssten für die Unterkunft Miete bezahlen, was sie oft nicht könnten, so Bammessel.
(Foto: Haist)
“Ich bin dafür, Menschen einen Vertrauensvorschuss zu geben, die zu uns kommen wollen”, erklärte Staatsminister Joachim Herrmann. Zugleich machte der CSU-Politiker jedoch deutlich, dass Menschen, die nicht als Asylberechtigte anerkannt werden, das Land auch wieder verlassen müssen.
(Foto: Haist)
“Wir sind seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland. Das hat unser Staatswesen nie erschüttert. Die Wirtschaft hat profitiert”, so Aydan Özoguz, Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. In diesem Zusammenhang plädierte Özoguz für ein “modernes, transparentes Einwanderungsgesetz.”
(Foto: Haist)
“Einwanderung ist ein unumkehrbarer Prozess. Und er bringt ungewisse Veränderungen mit sich”, erklärte Barbara John, Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Berlin.
(Foto: Haist)
Prof. Dr. Naika Foroutan, Stellv. Institutsdirektorin des Berlinder Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung stellte fest: “Jedes dritte Kind in unseren Schulen hat bereits einen Migrationshintergrund.”
(Foto: Haist)
“Geduldete bekommen ein Bleiberecht für die gesamte Dauer der Berufsausbildung und die anschließende Beschäftigung. Das gibt ihnen und den Ausbildungsbetrieben Rechtssicherheit”, erklärte Cemile Giousouf MdB, Integrationsbeauftragte der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag.
(Foto: Haist)
Josip Juratovic MdB (SPD), Integrationsbeauftragter der SPD-Bundestagsfraktion im Deutschen Bundestag, erklärte: “Wir brauchen Arbeitskräfte – qualifizierte Zuwanderung ist nötig, wenn wir unseren Wohlstand behalten wollen.”
(Foto: Haist)
Prof. Dr. Thomas Bauer, Vorsitzender des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration, benannte ein anderes Problem: “Unter den Flüchtlingen des Jahres 2015 sind 120.000 Kinder unter 6 Jahren, die ein Recht auf frühkindliche Bildung haben.”
(Foto: Haist)
„Die Integration der Flüchtlinge ist kein Sprint, sondern ein Dauerlauf“ – mit diesem Bild beschrieb die Präsidentin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Jutta Cordt, den Umfang der noch vorausliegenden Aufgaben für Politik und Gesellschaft im Bereich der Integration. Aufgrund der Herausforderungen im Bereich Asyl und Integration wurde das Personal beim BAMF von rund 2.000 (2015) auf jetzt rund 8.000 Mitarbeiter aufgestockt, sagte die BAMF-Präsidentin.
(Foto: Haist)