Vernissage in der Galerie Marschall, Bernried
Vernissage in der Galerie Marschall, Bernried
Nikolaus Hipp: „Die vier Jahreszeiten“ – Neue Ölbilder
Ausstellung vom 25. September bis 13. November 2016
Einführung von Udo Hahn, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing
Sehr geehrte Frau Dr. Marschall,
sehr geehrte Damen und Herren –
und ganz besonders: Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Claus Hipp!
Als Frau Dr. Marschall mich fragte, ob ich in diese Ausstellung kurz einführen könnte, habe ich spontan zugesagt. Allerdings stiegen sogleich Bedenken in mir auf. Diese nahmen zu, als ich den mehr als 500 Seiten umfassenden Band „Bilderwelten“ in Händen hielt. Dabei handelt es sich nicht um ein Werkverzeichnis, wie man aufgrund dieses Volumens annehmen könnte, sondern um ein „Best of“ des Künstlers Nikolaus Hipp, wie es der Herausgeber des Buches, Eduard Kastner, in seinem Editorial beschreibt: mit Bilder, die in den Jahren 1973 bis 2015 entstanden sind. Der erste Eindruck täuscht nicht: Der Unternehmer und Bio-Landwirt Claus Hipp reüssiert auch als Maler Nikolaus Hipp.
Die alles entscheidende Frage, die mich bis zu diesem Augenblick umtreibt, lautet: Wie kann ich dem Künstler gerecht werden und zugleich Ihnen, verehrte Gäste, eine Orientierung bieten? Mit einer gewissen Erleichterung stelle ich fest, dass ich mich auf eine Auswahl von Bildern konzentrieren kann, die Sie als Ausstellung unter dem Motto „Die vier Jahreszeiten“ hier betrachten und bestaunen können. Ich nähere mich diesen Bildern mit dem Handwerkszeug, das ich gelernt habe – als Pfarrer und Journalist. Und als Zeitgenosse, der das Leben liebt und sich am Schönen erfreut.
Wenn Letzteres auch für Sie gilt, sehr geehrte Damen und Herren, dann werden wir gemeinsam Nikolaus Hipp auf die Spur kommen. Der Künstler macht es den Betrachtern seiner Werke zunächst nicht leicht. Seine Bilder haben keine Titel und sie sind nicht gegenständlich. „Meine Bilder haben keine Titel, damit der Betrachter freier ist und seinen Gedanken nachgehen kann, um aus seiner Warte heraus zu Erkenntnissen zu kommen“, sagte er einmal – und fügte hinzu: „Wenn ich den röhrenden Hirsch in der Abendsonne male, dann röhrt der immer, ob es jetzt Abend oder Mittag oder Morgen ist,… Bei einem gegenstandlosen Bild hat man einfach mehr Einfühlungsmöglichkeiten.“ Das stimmt!
Es gibt eine einzige Ausnahme: In der Benno-Kapelle der Münchner Frauenkirche hängt ein Werk von ihm, das Altarbild. Es trägt den Titel „Et vitam venturi saeculi“, der letzte Satz aus dem Credo. Übersetzt heißt er: „und das Leben der kommenden Welt“ – vollständig lautet der Schluss-Satz des Nizänischen Glaubensbekenntnisses: „Wir erwarten die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt.“ Hier liegt meines Erachtens der Schlüssel zum Verständnis des gesamten Werkes von Nikolaus Hipp. Diese Entdeckung hat mich neugierig gemacht, die „Bilderwelten“ des Künstlers für mich selbst noch einmal genauer zu untersuchen.
„Das Leben der kommenden Welt“ erwarten wir. Bis es soweit ist, gilt im Hier und Jetzt, was wir im Alten Testament lesen, im 1. Buch Mose, in der Genesis, am Ende des 8. Kapitels. Gott spricht: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Dieser Rhythmus bestimmt uns. Wir leben in und mit den Jahreszeiten – und aus ihnen. Wahr ist aber auch, dass sich die Gewichte in den letzten Jahren und Jahrzehnten verschoben haben. Ich meine jetzt nicht, dass zu den „vier Jahreszeiten“ immer mal wieder eine fünfte hinzuerfunden wird: der Karneval oder das Oktoberfest. Was mich nachdenklich stimmt, das ist die Verfügbarkeit von allem zu jeder Zeit – zu jeder Jahreszeit und Tageszeit. Das gilt für die Privilegierten auf dieser Erde, in der westlichen Welt. Manche halten es für einen Gewinn, Spargel, Erdbeeren, Kirschen ganzjährig genießen zu können und eben nicht nur in den Monaten, in denen die Natur in unseren Breiten uns diese Gaben bietet.
Mein persönlicher Eindruck ist: Wenn wir auf Dauer so leben, werden wir mehr verlieren, als wir gewinnen. Man könnte auch sagen, im übertragenen Sinne: Dort, wo alles gleich gültig ist, wird es dann auch schnell gleichgültig. Und wenn uns die Schöpfung gleichgültig wird, dann kommt auch unser Leben aus dem Takt. Die Folgen – Beispiele brauche ich nicht zu nennen –, die Nachteile für Mensch und Natur, sie sind beträchtlich.
Und so entdecke ich in den Bildern ohne Titel doch eine Botschaft. Die hier gezeigten Motive sind eine Mahnung: Bedenkt, was ihr verliert, wenn ihr den Rhythmus des Werdens und Vergehens ignoriert. Vor der Mahnung aber steht der Zuspruch, der aus den Bildern spricht: Schaut, wie schön alles ist!
Wenn Sie in den Raum links vom Eingang treten, dann begegnen Ihnen dort Motive, die Sie – soweit Sie nicht ein Original erwerben möchten –, auch als Kalender für das Jahr 2017 mit nach Hause nehmen können. Ein Streifzug durch die Monate eines Jahres. Die Bilder von Nikolaus Hipp verlangen vom Betrachter, auch mit dem inneren Auge hinzusehen. Sich hineinziehen zu lassen. Der Maler Paul Klee hat einmal formuliert: „Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.“ So ruft Nikolaus Hipp in seinen Werken zu den Jahreszeiten innere Bilder wach, Träume, Empfindungen, Gerüche. Die Wahl der Farben und der Farbkompositionen lässt erkennen, in welcher Jahreszeit, in welchem Monat wir uns befinden: der winterkalte Februar, in dem die Farben weiß, grau und hellblau dominieren; der Wonnemonat Mai mit der bunten Farbenpracht des Frühlings; der Oktober mit seinem braunen Herbstlaub; und der Dezember mit der wärmenden Glut des Kaminfeuers.
Von drei Ausnahmen abgesehen, verdanken sich alle Bilder, die Sie bestaunen können, der schier unbändigen Schaffenskraft des Künstlers im Jahr 2015. Nikolaus Hipp ist nicht nur bildender Künstler, sondern auch Musiker. Und wenn Sie lange genug vor einem Motiv verweilen, dann bringt es vielleicht auch bei Ihnen etwas zum Klingen.
Der Bio-Landwirt Claus Hipp und der Künstler Nikolaus Hipp leben gleichermaßen in, mit und aus den Jahreszeiten. Die Produkte des Unternehmers und die Bilder des Malers halten den Ertrag fest, das Schöne und das Gute, das den Leib und die Seele nährt.
Noch leben wir in dem Rhythmus der göttlichen Schöpfung, in dem immerwährenden Kreislauf von Werden und Vergehen. Aus biblischer Perspektive steuert die Schöpfung jedoch auf ein Ende zu. Und was kommt dann? „Das Leben der kommenden Welt“, wie ein dem vorhin zitierten Glaubensbekenntnis heißt. Oder mit den Worten des Neuen Testamentes, Offenbarung des Johannes, dem letzten Buch der Bibel: „Siehe, ich mache alles neu“ (21,5).
Diese Verheißung macht demütig. Und sie macht Mut zum Leben – jetzt und heute. Demut hat mit dienen zu tun. Und Mut brauchen wir, um der Verantwortung gerecht zu werden, die von uns verlangt wird – wo auch immer der Einzelne seinen Platz hat. Diese Anregungen verdanke ich der Beschäftigung mit den Bildern von Nikolaus Hipp.
Erlauben Sie mir noch diesen Hinweis zum Schluss: Eine Galerie ist kein Museum. Sie können die Bilder kaufen – und dreifach Gutes tun. Jedes verkaufte Bild erfreut nicht nur die Galeristin und den Künstler, sondern im konkreten Fall auch Menschen in Georgien. Nikolaus Hipp fördert mit dem Erlös soziale Projekte in einem Land, das auf Hilfe angewiesen ist.
Und nun wünsche ich Ihnen viel Freude beim Betrachten der Ausstellung „Die vier Jahreszeiten“ von Nikolaus Hipp.
(Foto: Haist v.l. Akademiedirektor Udo Hahn, Prof. Dr. Claus Hipp, Dr. Martina Marshall)