DIE ICH RIEF, DIE GEISTER, WERD ICH NUN NICHT LOS
Johann Wolfgang von Goethe, „Der Zauberlehrling“ 1797
Johann Wolfgang von Goethe, „Der Zauberlehrling“ 1797
Gerichtliche Entscheidungen zum Lebensmittelpunkt des Kindes oder zur Regelung des Umgangs orientieren sich heute vorrangig am Kindeswohl. Ihre rechtliche Stellung hat sich geändert: Kinder haben eigene Rechte und eine eigene Vertretung vor Gericht. Der Begriff des Kindeswohls wurde aus dem eher pragmatischen und situationsspezifischen familienrechtlichen Kontext gelöst und verfassungsrechtlich aufgewertet. Die Diskussion der psychologischen Aspekte, besonders die Arbeit der psychologischen Gutachter, ist in den letzten Jahren vermehrt Thema von Kritik und Berichterstattung in den Medien geworden. Der Psychologe oder die Psychologin ist aber stets nur einer von vielen professionellen Akteuren im Familienrechtsverfahren, an dem heute zahlreiche Disziplinen beteiligt sind. Werden wir die (guten) Geister, die wir riefen, nun nicht mehr los?
Das Dilemma ist offensichtlich: Zwar ist einerseits die Rechtsposition des Kindes gestärkt worden. Das Kind ist im Verfahren nicht mehr nur Objekt, sondern erhält eine eigenständige Vertretung seiner Rechte vor Gericht (Verfahrensbeistand, ggf. Umgangspfleger). Die Bedeutung des Kindeswillens für eine gerichtliche Entscheidung hat zugenommen. Andererseits erhöht die zunehmende Fokussierung auf die Kindesinteressen den Bedarf an professionellen Akteuren, die die Belange des Kindes zu prüfen und wahrzunehmen haben. Dies kann vermehrt zu Belastungen der Kinder führen, zumal wenn diese sich in einem starken Loyalitätskonflikt befinden. Somit richtet sich das Augenmerk auf die Risiken und Nebenwirkungen, die mit dieser im Prinzip positiven Entwicklung verbunden sein können.
Diese Tagung beschäftigt sich mit den Belastungen und Risiken, die sich in den Verfahren für die Kinder ergeben können. Wir stellen die Frage, ob und wie man ihnen durch vernünftige Steuerung der interdisziplinären Lösungsbemühungen begegnen kann. Die Intention der Tagung ist es, darüber zu informieren und die damit einhergehenden ethischen Fragen in ihrer gesellschaftlichen Relevanz aufzuzeigen und zu diskutieren. Dazu laden wir die interessierte Öffentlichkeit zum Gespräch mit Experten und Expertinnen aus diesem Feld ganz herzlich in die Evangelische Akademie Tutzing ein.
Pfr. Frank Kittelberger, Tutzing
Dr. Ulrike Haerendel, Tutzing
Prof. Dr. phil. Uwe Tewes, Hannover
Claudia Ernestus, Seehausen