Meine Kollegen und ich arbeiten seit mehreren Monaten am Limit.
Thilo
(Intensivpfleger im Klinikum Nürnberg, 15.01.2021)
Thilo
(Intensivpfleger im Klinikum Nürnberg, 15.01.2021)
Was Thilo schon vor mehr als einem Jahr berichtete, ist immer noch allerorten Realität: Intensivpflegekräfte leisten Großes in einer Situation des allgemeinen Ausnahmezustands. Dabei lassen die Bilder von den Covid-Intensivstationen fast wieder vergessen, dass auch die Mitarbeitenden auf den Normalstationen und in der stationären und ambulanten Pflege im roten Bereich arbeiten – von den Millionen an pflegenden Angehörigen gar nicht erst zu sprechen.
Die Corona-Pandemie hat den jahrelangen Pflegenotstand in Deutschland verschärft und ans Licht gebracht. Passiert ist dennoch wenig: warmer Applaus im Frühjahr 2020, eine Pflegereform zum Jahreswechsel, Corona-Boni – immerhin steuerfrei – und das zweifelhafte Lob, zur „kritischen Infrastruktur“ zu gehören. Auch Tariflohn und Boni ändern wenig daran: Es gibt zu wenige Pflegekräfte für zu viel Sorgearbeit. Pflegenden fehlt es nicht nur am Geld, sondern an Anerkennung und Unterstützung für ihre mental und körperlich fordernde Tätigkeit.
Auch Ärztinnen und Ärzte sind in der Corona-Pandemie längst am Limit sowie eine Vielzahl der Beschäftigten in Gesundheitseinrichtungen. Von der Reinigungskraft bis zur Managerin sind sie alle gefordert – und bisweilen überfordert.
Wir fragen: Wo tanken diejenigen auf, die sich für andere verausgaben? Welche Rolle spielt unter anderem Spiritualität in deren Berufsalltag? Welche Ressourcen gibt es noch, gerade für die, die religiös unmusikalisch sind? Wie lässt sich Seelsorge mit den Beschäftigten eines Hauses konkret gestalten? Welche Angebote und Freiräume gibt es, im Klinikalltag inne zu halten und auch jenseits der Stationsübergabe miteinander ins Gespräch zu kommen? Mit einem Modewort gesprochen: Wie lässt sich mehr Resilienz aufbauen, um nicht aus dem Takt zu kommen? Und wann wird Resilienz zur schalen Vertröstung nach dem Motto „Stell dich nicht so an, werd‘ halt resilienter!“ Irgendwann muss es auch heißen: „Genug ist genug! Nicht ich muss immer belastbarer, sondern das System muss weniger belastend werden.“
Wir wollen uns untereinander austauschen und voneinander lernen, wenn wir gemeinsam fragen: Wer sorgt sich um die Sorgenden? Dazu laden wir Sie herzlich ein!
Dr. Hendrik Meyer-Magister
Studienleiter, Evangelische Akademie Tutzing
Bertram Linsenmeyer
Klinikseelsorger, Arbeitsgemeinschaft für evangelische Krankenhausseelsorge in Bayern