ES IST EINE SCHANDE, WENN DIE SEELE ZUERST AUFGIBT, WÄHREND DER KÖRPER SICH DAGEGEN WEHRT.
Marc Aurel, Selbstbetrachtungen
Die Stoiker demonstrierten nicht selten eine erstaunliche Gelassenheit gegenüber dem Ende des Lebens. Der Tod schien sie nicht sonderlich zu schrecken. Doch unerbittlich beharrten sie darauf, dass wir unsere täglichen Pflichten des klaren Denkens, des vernünftigen Entscheidens und des verantwortlichen Handelns zu erfüllen hätten – bis zuletzt! Der Tod beendet unser Leben, kann uns im Vorfeld jedoch nicht am Leben hindern. Noch tragen wir Verantwortung. Dazu kann auch gehören, denen beim Tragen zu helfen, denen die Last zu groß wird.
Im Kontext der gesellschaftlich diskutierten Suizidassistenz haben wir die Aufgabe, über Bedingungen und Konsequenzen sorgfältig nachzudenken. Dabei bleiben die Betroffenen, die alten, schwerkranken, lebensmüden oder sterbenden Menschen im Blick. Die hier zu diskutierenden Aufgaben betreffen jedoch all jene, die sich an der Suizidassistenz und Begleitung von Sterbewilligen beteiligen. Dies gilt jenseits moralischer Wertungen des Suizids und seiner Beihilfe.
Daher müssen, unabhängig vom Stand der Gesetzgebung zum (ehemaligen) § 217 StGB, eine Reihe von Fragen bedacht werden: Wer kann, darf und sollte Assistenz leisten, wenn ein Mensch darum bittet? Was meint eigentlich Assistenz und Begleitung in der Todesnähe eines Menschen? Welche Rahmenbedingungen müssen beachtet werden und welche Rolle spielt das Umfeld? Krankenhaus, Pflegeheim, Hospiz und andere Versorgungsstrukturen arbeiten unter verschiedenen Bedingungen. All das muss ebenso im Blick bleiben, wie die großen Fragen nach dem Menschenbild und den Grundlagen einer sorgenden Gesellschaft.
Jenseits aller Diskussionen um das „Ob oder Ob nicht“ ist es also unsere Verantwortung, auch das „Wie und Wer“, sowie die (Rahmen-) Bedingungen einer potenziell möglichen Suizidassistenz zu bedenken. Dazu laden wir ganz herzlich in die Evangelische Akademie Tutzing ein.
Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Frank Erbguth
Neurologe, Psychiater, Psychologe, Hochschullehrer an der Friedrich-
Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg und an der Paracelsus
Medizinischen Privatuniversität (PMU) am Standort Nürnberg,
Präsident der Deutschen Hirnstiftung, Nürnberg
Pfr.i.R. Frank Kittelberger
Pastoralpsychologe; freier Mitarbeiter und ehem. Studienleiter für Ethik
in Medizin und Gesundheitswesen, Pastoralpsychologie und Spiritual
Care an der Evangelischen Akademie Tutzing, München