CARE IST LIEBE – UND ARBEIT, UNTERBEZAHLT UND UNBEZAHLBAR
Die Sorge für andere ist elementar für menschliches Leben. Sie ist eingebettet in Liebe und Zuwendung innerhalb von Freundschaften, Familien und Partnerschaften, sie ist elementarer Teil der Beziehungen zwischen den Generationen. Fast alle Menschen erleben sich als Care-Empfänger_innen – in Kindheit und Alter, bei Krankheit oder nach Unfällen – und als Sorgende für Andere. Allerdings wurde die Sorgearbeit, angefangen von der Erziehung von Kindern über Haushaltstätigkeiten bis zur Pflege kranker und älterer Angehöriger, einseitig den Frauen zur Pflicht gemacht. Und weil diese Arbeiten größtenteils unentgeltlich und unsichtbar in den Familien, in den Haushalten geleistet werden, schienen sie lange Zeit reine Privatsache zu sein.
Zwar hatte die zweite Frauenbewegung diese soziale Tatsache skandalisiert (Stichwort „Lohn für Hausarbeit“), doch erst die gegenwärtige Care-Krise, in der wir uns befinden, hat Care als Politikum für alle sichtbar werden lassen. Das männliche Familienernährer-Modell, das Frauen die Haus- und Sorgearbeit überließ, funktioniert nicht mehr. Die teilweise Verlagerung von Fürsorgetätigkeiten in Professionalität und öffentlichen Raum findet statt und unterstützt die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit. Doch zugleich produziert dies neue Ungleichheiten, nicht zuletzt auch zwischen Frauen (etwa klassenbezogen oder im Rahmen von Migration). Die „Care-Krise“ kann also eine Chance sein, über Grundfragen des menschlichen Zusammenlebens zu reflektieren.
Die Tagung fragt vor diesem Hintergrund unter anderem:
- Wie gestaltet sich heute Care zwischen privatem Liebesdienst und erwerbsförmiger Profession konkret?
- Inwiefern ist Care vergeschlechtlicht (oder nicht)?
- Wie kann eine gerechte Verteilung von Carearbeit aussehen?
- Wie sind Care-Beziehungen gestaltet und wie könnten sie gestaltet werden?
- Wie wird die Qualität professioneller Care-Arbeit gemessen und gesichert?
- Wie sehen Care-Krisen international aus und inwiefern ergibt sich hier eine systematische Form transnationaler Ausbeutung?
Zur Beantwortung dieser und weiterer Fragen tragen auf der Tagung wissenschaftliche Expertinnen und politisch Verantwortliche vor und laden zur Diskussion ein. Verschiedene Sorgeaufgaben und ihre unterschiedlichen Anforderungen werden in Workshops unter Mitwirkung von Expertinnen aus der Praxis untersucht.
Herzliche Einladung des Netzwerks Genderforschung und Gleichstellungspraxis Bayern nach Tutzing!
Dr. Ulrike Haerendel, Evangelische Akademie Tutzing