WER ZU LESEN VERSTEHT, BESITZT DEN SCHLÜSSEL ZU GROSSEN TATEN, ZU UNERTRÄUMTEN MÖGLICHKEITEN
Aldous Huxley
Im Werk der Schriftstellerin Angelika Klüssendorf geht es um existentielle Erfahrungen. Der Wille zu Überleben und die Sehnsucht, sich selbst zu spüren treiben ihre Figuren an. Seit ihrem Debüt „Sehnsüchte. Eine Erzählung" (1990) schreibt die Autorin aus der Perspektive von Schwachen und Gedemütigten. Meist sind es junge Mädchen und Frauen, die darum ringen, ihre Würde in einem fremdbestimmten, durch Verwahrlosung und Gewalt geprägten Leben zu erhalten, sich aus der Ohnmacht zu befreien und ihren eigenen Weg zu finden. Wut, Hass und Liebe liegen dabei oft nahe beieinander. Dabei beeindrucken die Zähigkeit und die Willensstärke, mit denen die Protagonistinnen trotz widriger Umstände vorwärts gehen.
Die literarischen Mittel variiert die Autorin von Buch zu Buch. Mal reihen sich spannende Erzählungen zu einem losen Reigen, der gleichsam die Beziehungslosigkeit der Figuren spiegelt. Mal nehmen einen die für sich stehenden Kurzgeschichten ob ihrer unbestechlichen Prägnanz gefangen. Und in ihren autobiografisch inspirierten Bildungsromanen „Das Mädchen" (2011), „April" (2014) und „Jahre später" (2018) entfaltet die Autorin ein ganzes Leben. Dieses beginnt in prekären Verhältnissen in der DDR, führt in die Leipziger Künstlerszene der siebziger und achtziger Jahre und reicht bis hin zur Ausreise in den Westen Deutschlands und die intensive und toxische Ehe mit einem Chirurgen.
Diese Trilogie über fortschreitenden intellektuellen Eigensinn und Selbstbehauptung ist nicht zuletzt eine Feier der Literatur, die für die Protagonistin von Kindheit an Rettung und Erlösung war. Damit steht Angelika Klüssendorf in der Tradition großer deutscher Erzählerinnen wie Marie Luise Kaschnitz, der Namensgeberin des Preises.
Sowohl die Erzählungen als auch die Romane von Angelika Klüssendorf bestechen durch eine klare, direkte Sprache, die von ihrer radikalen Beschränkung lebt und die Lesenden sofort in ihren Bann zieht.
Wir möchten in dieser Tagung das Werk der Preisträgerin erkunden. In Vortrag, Lesung und Gespräch mit Angelika Klüssendorf und ihren KollegInnen und WegbegleiterInnen geht es um große Vorbilder und die Frage, wie man über das Eigene schreiben kann. Es geht um verwandte Sujets, darum, wie sich ihre Geschichten in das Medium Film übersetzen lassen könnten sowie um die Bedeutung von Literatur für das eigene Werden.
Seien Sie bei dieser besonderen Tagung dabei – wir laden herzlich in die Evangelische Akademie Tutzing ein!
Judith Stumptner, Evangelische Akademie Tutzing
Brigitte Grande, Freundeskreis der Evangelischen Akademie Tutzing