RETTUNG AUS SEENOT IST RECHTLICHE UND MORALISCHE PFLICHT
Nach dieser Maxime handeln private Seenotrettungsorganisationen, die in den internationalen Gewässern vor der libyschen Küste Menschen vor dem Ertrinken retten. In den europäischen Anrainerstaaten, vor allem Italien, treffen sie allerdings auf ganz andere Einstellungen. Mehrfach ist privaten Seenotrettungsschiffen und neuerdings sogar Schiffen der
eigenen Küstenwache verwehrt worden, italienische Häfen anzulaufen und die Menschen von Bord zu lassen. In Malta werden sie am Wiederauslaufen gehindert, dem Kapitän der „Lifeline“ wird dort der Prozess gemacht, weil er ein nicht ordnungsgemäß registriertes Schiff in maltesische Gewässer gesteuert habe. Dem Rettungsschiff „Aquarius“
wird der Entzug der panamaischen Flagge angedroht.
Dieser völker- und menschenrechtswidrige Umgang mit den Rettungsschiffen empört viele Menschen in Europa. Die Not der Geflüchteten, die sich trotz der drohenden Gefahren auf den Weg über das Mittelmeer machen, ist unübersehbar. Viele Personen und Organisationen, darunter auch die Evangelische Kirche in Deutschland, unterstützen die Seenotrettung, weil sie nicht einfach zuschauen wollen, wie Kinder, Frauen, Männer im Mittelmeer ertrinken. 2018 waren es trotz der Anstrengungen der Helfenden bereits mehr als 1.500 Menschen, Tausende auch in den Jahren davor. Nicht auszudenken, wie viele es wären, wenn es keine humanitären Rettungseinsätze gäbe. Die Helfenden tun ihr Bestes, um die Menschen medizinisch und mit Nahrung zu versorgen. Sie versuchen außerdem Empathie und Unterstützung für diese Menschen in den Aufnahmeländern zu wecken.
Seit der Initiierung der italienischen Mission „Mare Nostrum“ werden Initiativen zur Seenotrettung aber auch schon kritisiert. Sie würden die Menschen erst recht dazu bewegen, sich auf untaugliche Boote über das Mittelmeer zu begeben. Gerade richten sich solcherlei Vorwürfe vor allem gegen zivile Seenotrettungsinitiativen. Auch in Deutschland mehren sich
Stimmen, die die von den Rettern praktizierte Humanität in Frage stellen. Als sei das humanitäre Dilemma nicht schon genug, kann sich Europa auf keinen gemeinsamen Kurs in der Migrationsfrage einigen. Und so lange die politischen Lösungen nicht vorankommen, finden auch die praktischen Fragen keine Lösung und die Geflüchteten unter Umständen keinen sicheren Hafen.
Wir haben Experten eingeladen, die die Seenotrettung aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten, miteinander diskutieren und nach gemeinsamen Strategien suchen werden, die es politisch zu verfolgen gilt.
Sie sind herzlich eingeladen, an dieser Diskussion teilzuhaben!
Dr. Ulrike Haerendel, Evangelische Akademie Tutzing
Juliane Tetzlaff, SOS MEDITERRANEE Deutschland e.V.