„JEDE STRUKTUR IST BEWOHNBAR, UND DAS IST SOGAR IHRE TREFFENDSTE DEFINITION."
Roland Barthes
Längst hat sich ein Anglizismus in der deutschen Sprache etabliert, der das exzessive Schauen von Serien beschreibt: das Binge-Watching, kurz, das Bingen. „Binge" (phonetisch: b?nd?) ist das englische Wort für ein Gelage, das Verb „to binge" bedeutet so viel wie heißhungriges Essen großer Mengen auf einmal. Es illustriert, worum es dabei geht: Serien werden in Serie konsumiert, ja „verschlungen". Und das wird stetig populärer.
Streaming-Portale bedienen die Nachfrage in gleichem Maße, wie sie diese fördern. Netflix verbucht eine Zahl von mehr als 200 Millionen Nutzerinnen und Nutzern weltweit. Zwar ist sie im letzten Jahr nicht ganz so stark gestiegen wie 2020 – dem Jahr der ersten coronabedingten Lockdowns – doch das Unternehmen zeigt sich optimistisch: Schließlich ist ein neuer Höchststand erreicht.
Netflix ist einer der großen Player auf dem Markt, der unaufhörlich wächst. Mehr noch: Streamingdienste wie Amazon Prime, Apple, Disney und HBO bestimmen die Spielregeln, Mediatheken von TV-Sendern möchten am Spiel beteiligt sein – wenn auch oft nur in Nebenrollen. Der Drehbuchautor und Produzent Oliver Schütte spricht gar von einer Goldgräberstimmung, die die Branche komplett umstrukturiert.
Sendungsbewusstsein und künstlerische Intentionen von Drehbuchautorinnen und Produzierenden werden ergänzt durch einen Algorithmus, der populäre Inhalte und Erzählstrukturen analysiert und reproduziert. Das Immergleiche im neuen Gewand und Theodor W. Adornos Triumph oder eine Revolution in Produktion und Rezeption? Welche Geschichten erzählen Serien im Jahr 2022? Was ist es eigentlich, das uns so vor dem Bildschirm fesselt, dass wir die Welt um uns herum vergessen und am liebsten eine Folge nach der anderen ansehen wollen? Und wie kommt es, dass manche Serien wie eine Heimat oder Zuflucht funktionieren?
In unserer Online-Tagung möchten wir sowohl Serien-Junkies als auch Neugierigen einen Ort am Bildschirm geben, sowohl die Leidenschaft als auch das gesellschaftliche Phänomen des Online-Serientrends zu verstehen, zu analysieren – und sich darüber auszutauschen. Wir freuen uns, wenn Sie dabei sind!
Alix Michell
Studienleiterin für Kunst, Kultur, Digitales und Bildung
Dorothea Grass
Studienleiterin, Referentin für Presse- & Öffentlichkeitsarbeit