BEIM COMFORT BINGE GEHT ES DARUM, MIT MINIMALEM AUFWAND GRÖSSTMÖGLICHES VERGNÜGEN ZU BEKOMMEN
Alexis Nedd
Längst hat sich ein Anglizismus in der deutschen Sprache etabliert, der das exzessive Schauen von Serien beschreibt: das Binge-Watching, kurz, das Bingen. „Binge" (phonetisch: [b?n?] ist das englische Wort für ein Gelage, das Verb „to binge" bedeutet so viel wie heißhungriges Essen großer Mengen auf einmal. Es illustriert, worum es dabei geht: Serien werden in großer Menge konsumiert, regelrecht verschlungen und kaum lässt sich noch sagen, was hier größer, schneller, vielfältiger ist: Angebot oder Nachfrage?
Streaming-Portale bedienen die Nachfrage in gleichem Maße, wie sie diese fördern. Alleine Netflix verbucht eine Zahl von mehr als 200 Millionen Nutzerinnen und Nutzern weltweit, nahm im letzten Jahr knapp 200 neue Serien im Angebot auf, setzte gleichzeitig eine aufsehenerregend große Zahl an eigenen Produktionen wieder ab und ist in all dem Treiben der populärste Streamingdienst Deutschlands.
Dabei ist Netflix einer der großen Player auf einem Markt, der unaufhörlich wächst. Mehr noch: Streamingdienste wie Amazon Prime, Apple, Disney und HBO bestimmen die Spielregeln, Mediatheken von TV-Sendern möchten am Spiel beteiligt sein – wenn auch oft nur in Nebenrollen. Der Drehbuchautor und Produzent Oliver Schütte spricht gar von einer Goldgräberstimmung, die die Branche komplett umstrukturiert und doch scheint sich ein Wandel anzudeuten: Im Verhältnis von Angebot und Nachfrage muss man sich bald fragen: Wie viel ist zu viel? Und was wird in der Flut von Produktionen überhaupt gesehen – und warum? Wie ist eine gute Serie erzählt und was zieht mehr: die Adaption erfolgreicher Konzepte oder Neues, nie Gesehenes? Und warum trendet in einer Zeit, in der so viele Formate zu Verfügung stehen wie nie zuvor gerade Altbekanntes aus den 90er Jahren wie Friends, Gilmore Girls und Co? Welche Geschichten erzählen Serien im Jahr 2023? Was ist es eigentlich, das uns so vor dem Bildschirm fesselt, dass wir die Welt um uns herum vergessen und am liebsten eine Folge nach der anderen ansehen wollen? Und wie kommt es, dass manche Serien manchmal regelrecht als Zuflucht funktionieren?
All diesen Fragen wollen wir uns im Rahmen unserer Tagung widmen. Wollen sowohl die Leidenschaft als auch das gesellschaftliche Phänomen des Serientrends verstehen, analysieren – und uns darüber auszutauschen. Wir freuen uns, wenn Sie dabei sind!
Alix Michell, Studienleiterin für Kunst, Kultur, Digitales und Bildung
Gerhard Maier, SERIENCAMP, Co-Founder & Artistic Director