1. Müßiggang ist allen Wachstums Anfang
PD Dr. Birgit Hoyer / birgit.hoyer@fau.de
Die Wiederentdeckung der Muße, vom Glück der Unerreichbarkeit, die Kunst des Nichtstuns, die Publikationen zu diesem Thema mehren sich. Die Beschleunigungen und Vervielfältigungen unserer Leben nehmen wir als unabänderlich hin, nehmen sie gewöhnlich gar nicht bewusst wahr und wundern uns noch weniger darüber, dass die fortschreitende Zeitersparnis nur zu einer immer noch größeren Zeitknappheit führt. Wachstum allüberall – und darin die Sehnsucht nach Unterbrechung und Innehalten – wie sie am augenfälligsten mit Weihnachten gesellschaftlich weltweit sichtbar wird. Religion nicht als Anachronismus, sondern Religion als säkularisierte Sakralität. Glaube als Luxus, pure Gnadengabe eines verschwendend überfließenden Gottes, als unerschöpfliche Quelle von Kreativität und Phantasie, die sich nicht in die Nützlichkeitserwägungen einer postmodernen Moderne einordnet? Das Forum geht der Frage nach, ob diese Sprache, ob Glaube noch möglich und Religion noch zeitgemäß ist, intendiert eine Debatte über die These, dass das plural-paradoxe Neben- und Durcheinander dieser Zeiten gerade den Kern christlicher Religion freilegt. Im Grenzgebiet von Theologie und Soziologie fragt das Forum nach den Konsequenzen für Verständnis und Arbeitweisen von Wissenschaft und universitäre Bildung, v.a. der Möglichkeit von Erkenntnis und schöpferischen Prozessen für ein Wachstum im Gesamtspektrum von Nachhaltigkeit. Im Sinne der Wissenschaftstheorie von Charles Sanders Peirce sucht das Forum den kreativen Sprung in der Abduktion.
Referate in Absprache mit der Forumsleitung.
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2. Wachstum und Reproduktion: Zur Verbindung zweier Semantiken
Dr. Katharina Gerund / katharina.gerund@amer.phil.uni-erlangen.de
Dr. Juliane Lamprecht / juliane.lamprecht@fau.de
Prof. Dr. Heike Paul / heike.paul@amer.phil.uni-erlangen.de
In diesem Panel möchten wir aktuelle Forschungsansätze der Kulturwissenschaften, der Historischen Anthropologie und der (feministischen) Philosophie aufgreifen, die sich ideologiekritisch mit gesellschaftlichen Entwicklungen und Normen und dabei u.a. mit folgenden Fragen beschäftigen: Auf welche Weise präsentieren sich uns Diskurse um wirtschaftliches Wachstum und biologische Reproduktion als miteinander verbunden bzw. verschränkt? Was sind unsere, z.T. auch impliziten (kultur- und geschlechtsspezifischen) Vorstellungen von ‚Produktivität’ und Profit (oder allgemeiner formuliert: von Erfolg)? Welche Rolle spielt dabei die Familie als gesellschaftlicher Ort, an dem sowohl (Re-) Produktion als auch ideologische Subjektivierung stattfindet? Judith Halberstam merkt dazu an, dass Erfolg in einer heteronormativen, kapitalistischen Gesellschaft allzu leicht spezifische Formen der Reproduktion mit Besitzvermehrung gleichsetzt.
Insbes. im Kontext der gender studies und der queer theory haben sich jüngst namenhafte Wissenschaftler_innen zu den damit verbundenen Forschungsgebieten geäußert, die wir eingangs durch Leitfragen für unser Panel formuliert haben. Daran anknüpfend analysieren wir anhand ausgewählter Beispiele/Phänomene, wie einerseits „öffentliche Gefühle“ (Lauren Berlant) im Kontext politischer Auseinandersetzung evoziert werden und die politische Streitkultur auf eine Weise ‚sentimentalisieren’ bzw. affizieren, die sie als Verlängerung der Privatsphäre erscheinen lässt. Am Beispiel feministischer Diskussionen um „sisterhood“ etwa lässt sich nachvollziehen, wie Wissensbestände und Erfahrungshintergründe um (idealisierte) Geschwisterbeziehungen metaphorisch aufgerufen werden, um Zuhörer_innen bzw. Leser_innen zu affizieren, als solidarische Mitstreiter_innen zu interpellieren und politisch zu aktivieren. Andererseits untersuchen wir, wie sich (quasi im Gegenzug) die Sprache und Logik wirtschaftlicher Produktivität im Sinne einer weitreichenden Ökonomisierung auch in die „affektive Ökonomie“ (Sara Ahmed) privater und intimer Verhältnisse einschreiben. Sowohl in politischen Diskussionen und theoretischen Überlegungen um die Rolle der Frau (z.B. als Konsumentin, Mutter, Arbeitnehmerin) wie auch in den Alltagspraktiken von Paaren verschränken sich wirtschaftliche und biologische Reproduktions- und Wachstumslogiken, etwa als „Imaginäres des Geburt“.
Empfohlene Lektüre:
Althusser, Louis. “Ideology and Ideological State Apparatus.” 1970. https://www.marxists.org/reference/archive/althusser/1970/ideology.htm.
Halberstam, Judith. The Queer Art of Failure. Durham: Duke UP, 2011. 1-25.
Jaeggi, Rahel. Kritik von Lebensformen. Frankfurt: Suhrkamp, 2012. 142-99.
Referate in Absprache mit der Forumsleitung.
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3. Forum “Zufriedenheit für alle – ohne Wachstum?!”
Katrin Landsiedel / kati.landsiedel@gmail.com
Verena Hammes / verena.hammes@posteo.de
Die Postwachstumsökonomie verspricht uns eine gerechtere und nachhaltigere Gesellschaft, erfordert aber einen genügsameren und bewussteren Lebensstil. Was sind unsere wahren Bedürfnisse und wie viel Suffizienz ist in der Praxis nötig, möglich und zumutbar? Welche Modelle gibt es für eine Lebensführung jenseits der Wachstumslogik?
Um Antworten auf diese Fragen geht es im Forum. Mit einem Exkurs in die Glücksforschung werden Korrelate mit Zufriedenheit und subjektivem Wohlbefinden identifiziert und mit gängigen Wohlstandskonzepten verglichen. Was brauchen wir wirklich? Gleichzeitig werden die Rahmenbedingungen nachhaltigen Handelns definiert. Was können wir der Umwelt zumuten - wie viel Spielraum haben wir noch?
Aus diesen Vorüberlegungen entwickeln und diskutieren wir gemeinsam ein Modell für einen idealen Alltag in der Postwachstumsgesellschaft. Wie können die Befriedigung unserer Bedürfnisse mit einem sorgsamen Umgang mit der Erde in Einklang gebracht werden? Das Forum wird abgerundet mit dem Austausch über die Strukturen einer Postwachstumsgesellschaft, die schon jetzt existieren (z.B. Sharing Economy, flexible Arbeitszeitmodelle) und einer Zukunftswerkstatt für weitere Möglichkeiten und Entwicklungen.
Vorschläge für Referatsthemen und Literatur:
Einführungsvortrag: "Bericht aus der Zukunft"
Wie lebt es sich in der Postwachstumsgesellschaft?
Literaturvorschläge:
• R. Klingholz, 2014: Sklaven des Wachstums
• Bund für Umwelt und Naturschutz, Brot für die Welt & Evangelischer Entwicklungsdienst, 2012: Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt. Ein Anstoß zur gesellschaftlichen Debatte. Eine Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie. (www.zukunftsfähiges-deutschland.de)
• T. Jackson, 2011: Wohlstand ohne Wachstum
Thematischer Input 1: "Korrelate von Zufriedenheit als Begründungsbasis für eine Wachstumswende"
Was brauchen wir wirklich?
Literaturvorschläge:
• M. Seligman, M. Csikszentmihalyi, 2000: Positive Psychology. An Introduction
• E. Pooley, 2005: Mind and body: Pursuit of Happiness
• H. Böll, 1963: Der zufriedene Fischer
• M. Gronemeyer, 2009: Die Macht der Bedürfnisse. Überfluss und Knappheit
• P.Pinzler, 2011: Immer mehr ist nicht genug. Vom Wachstumswahn zum Bruttosozialglück
Thematischer Input 2: "Alternative Lebenskonzepte"
Welche alternativen Modelle für ein gutes Leben gibt es?
Literaturvorschläge:
• S. Wolf, 2011: Ein neues Wir (Film; www.neueswir.info)
• A. Zahrnt, U. Schneidewind 2013: Damit gutes Leben einfacher wird. Perspektiven einer Suffizienzpolitik
• E. Ostrom, 2011: Was mehr wird, wenn wir teilen
• P. Plöger, 2011: Einfach ein gutes Leben
• E. Gudynas, 2012: Buen Vivir
Allgemein: www.postwachstum.de, www.denkwerkzukunft.de
Die aufgeführte Literatur ist über die Referentinnen oder in Bibliotheken zu beziehen.
Referate in Absprache mit der Forumsleitung.
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4. Praxisbeispiele zukunftsfähigen Wirtschaftens
Anna-Lisa Schmalz / al.schmalz@rewig-muenchen.de
Britta-Marei Lanzenberger / lanzenberger@merkpunkt.de
In diesem Forum wollen wir Praxisbeispiele nachhaltigen Wirtschaftens aus den unterschiedlichen Perspektiven der Teilnehmerinnen betrachten und zu einem Gesamtbild zusammenfügen. Die eingebrachten Perspektiven sollen möglichst auch persönliche Erfahrungen aus der Praxis beinhalten. Alternativ kann das Ergebnis einer eigenen Recherche über ein zukunftsfähiges Unternehmen oder ein Projekt ins Forum eingebracht werden.
Zukunftsfähiges Wirtschaften ist ganzheitlich ausgerichtet. Es wird umso besser gelingen, je mehr Aspekte von Menschen, Tieren, Pflanzen und Umwelt integriert und berücksichtigt werden können. Wenn diese Aspekte jedoch nebeneinander stehen bleiben und nicht in ein Gesamtbild integriert werden, besteht das Ergebnis lediglich aus zahllosen Details und wird dadurch komplex und undurchschaubar. Erst die Integration in ein Gesamtbild kann Wirkung entfalten.
Ausgehend vom jeweils eigenen wissenschaftlichen und persönlichen Hintergrund wollen wir die ausgewählten Projekte betrachten mit dem Ziel, die beobachteten Details möglichst vollständig in ein Gesamtbild zu integrieren. Dabei werden wir je nach Bedarf unterschiedliche praxiserprobte Methoden anwenden.
Referate in Absprache mit der Forumsleitung.
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5. Bewegung – Lebensrhythmen am Beispiel der Noongar People in Australien
Dr. Daniela Schwarz / daniela.schwarz@tum.de
Vor der europäischen Besiedlung waren die Noongar kein einzelner Stamm, sondern bestanden aus 13 Gruppen, die eine gemeinsame Kultur und eine ähnliche Sprache mit einigen dialektalen Unterschieden teilten. Die Noongar (auch: Nyungar, Nyoongar oder Nyoongah)]sind indigene Australier, die im Südwesten von Western Australia zwischen Geraldton an der Westküste und Esperance an der Südküste leben.
Heute ist vieles aus der Kultur der Noongar verloren gegangen, darunter die Identifikation mit bestimmten regionalen Gruppen, auch wenn einige Noongar sich ihnen verbunden fühlen. Die Noongar lebten traditionell von der Jagd auf verschiedenes Wild und durch das Sammeln von essbaren Wildpflanzen. Sie benutzten Quarz statt Feuerstein für Speer- und Messerspitzen und entwickelten eine mittlerweile verlorene Kunst der Bearbeitung von Quarzkristallen.
Die Noongar hielten sich selbst für zivilisiert, vor allem im Vergleich mit den eindringenden Briten. Vor diesem Hintergrund bezeichneten sie die Neuankömmlinge als djanga oder djanak, was so viel wie „weiße Teufel“ bedeutet. Von Anfang an verhielten sich die Noongar vorsichtig im Umgang mit den Europäern. Sie waren durch den Verfall und die Schlacht, die die Weißen in ihre Heimat brachten, verängstigt. Sie lebten in umfangreichen familiären Gruppen und ihr Lebensstil beinhaltete Respekt und Ehrfurcht vor dem Land, das sie ernährte.
Im Rahmen des Forums werden Bewegungsformen und ausgewählte Aspekte dieser beeindruckenden Kultur thematisiert, diskutiert und praktisch erprobt.
Referate in Absprache mit der Forumsleitung.
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6. Bildung und Nachhaltigkeit: Das Schülerforschungszentrum Berchtesgadener Land
Prof. Dr. Claudia Kugelmann / ck@tum.de
Gabriele Lauterbach / gabriele.lauterbach@tum.de
Zoraida Finger-Collazos / z.finger-collazos@tum.de
Das Schülerforschungszentrum Berchtesgadener Land (SFZ-BGL) stellt durch das Zusammenspiel von Wissenschaft (TU München und TUM-School of Education), Bildungsträger (Landratsamt Berchtesgadener Land) und Wirtschaftsunternehmen (Förderverein Schülerforschungszentrum Berchtesgadener Land e.V.) eine einzigartige Möglichkeit der Bildung im Bereich von Naturwissenschaft, Mathematik und Technik (MINT- Fächer) dar. Die Angebote im SFZ-BGL orientieren sich an den Säulen des Schülerlabors und der Schülerforschung.
Das SFZ-BGL versteht sich als außerschulischer Lernort, der vielfältige Anregungen bereitstellt – wie etwa lehrplanbezogene Klassenkurse, Ferienkurse, Nachmittagsclubs, Experimentiertage oder interaktive Ausstellungen, aber auch Vorbereitung und Begleitung von Jugendlichen für Wettbewerbe im MINT-Bereich. In der Begegnung mit interessanten Phänomenen aus der Welt von Technik und Naturwissenschaft, in der intensiven Beschäftigung mit Problemstellungen und Projekten erschließt sich die Bedeutung von mathematischem, physikalischem oder elektrotechnischem Fachwissen und der dazu gehörigen Methoden- und Fachkompetenz. Die Umgebung der Berchtesgadener Alpen bietet zudem die einmalige Chance, Naturphänomene direkt draußen in der Natur zu beobachten und zu erforschen. Die damit verbundene wertorientierte, sinnen- und sinnreiche Auseinandersetzung der Schu¨lerinnen und Schüler mit ihrer Umwelt leistet einen bedeutenden nachhaltigen Beitrag zur Bildung.
Im Forum diskutieren die Teilnehmerinnen unter anderem über den ökologischen Fußabdruck als ein Nachhaltigkeitsindikator. Dieser dokumentiert den Ressourcenverbrauch, der die Biokapazität der Erde in Relation setzt. Dabei ist der Ökologische Fußabdruck nicht nur für Personen oder Haushalte berechenbar, sondern auch für Nationen bzw. Regionen. Zusätzlich können Produkte und Dienstleistungen mit dem Ökologischen Fußabdruck bilanziert werden.
Insbesondere ist der Ökologische Fußabdruck auch ein Gerechtigkeitsindikator, denn er basiert auf der Grundannahme, dass allen Menschen gleich viel zur Verfügung steht.
Referate in Absprache mit der Forumsleitung.