„HINTERM HORIZONT GEHT’S WEITER / EIN NEUER TAG / HINTERM HORIZONT IMMER WEITER /ZUSAMMEN SIND WIR STARK / DAS MIT UNS GING SO TIEF REIN / ES KANN NIE ZU ENDE SEIN" Udo Lindenberg
„Woodstock 1969". High von Kinofilm und LPs machten wir mobil. Mit Autowaschen gab’s E-Gitarre, Schuhe von Adidas oder Puma, Bluejeans und Moped. Unser Widerstand hatte 33 Umdrehungen pro Minute, 5 PS, 100 Watt, trug Che Guevara T-Shirt und lange Haare – Stehblues und Liebeskummer inklusive. „See me, feel me, touch me, heal me" (The Who, 1969). So brachte Pop die weite Welt in unsere geborgenen Winkel, den Bandkeller, die Schrauberwerkstatt, den Fußballplatz zum Brillieren, am Kiosk zum Poussieren. Forever young? Unsere Idole verbrannten im Highspeed. Welcome to heaven, club twenty seven.
Pop, ja Pop. Ein Kürzel fürs Populäre, Volksnähe? Viel mehr noch: Pop ist ein Lebensgefühl, Befreiung, Beflügelung, Verständigung über Zäune, Beton, Dogmen hinweg. Ein Feeling für Heimat und Flucht, Trost und Einspruch. Pop ist Kultur, Sound, Mode, Spiegel what‘s up, das Rotwelsch der Kids, zu improvisieren, Intimes und Konsum, Sympathie und Politik, Romantik und Technik zu mixen. Wo die Zombies zum Ewigen läuten, feiert Pop das Jetzt; maintenant, eine Handbreit vom Tagtraum zur Utopie. Born to perform. Express yourself. Sei dezent.
Erst die Schmalztollen vor der Jukebox, die Woodstock-Revolten, zertrümmerte Gitarren, Kreidetauben auf dem Asphalt. Dann Disko-Fieber, Glam-Rock, Punk, Hip Hop, Rap, Raggae, Grunge, Gothic Rock, Neue Deutsche Welle, Technoparade, Boybands, Riot Grrrls, Cosplay und Comics. Pop ist Ausbruch und Aufbruch zugleich, ist die Stimme der Ungehörten, des tiefen Grolls, der unbändigen Lebenslust. Und wenn darauf Folter und Gefängnis stehen.
Pop wird niemals untergehen! Er flimmert über Kinoleinwände, streamt sich in die Wohnzimmer, tanzt auf den Straßen, fährt über Walkmans, Beatboxen, iPhones in Ohr und Herz, kleidet die Menschen in Hijabs, Skinny Jeans oder Netzhemden, ermutigt zum Protest, reimt zum Systemumsturz. Pop-Tattoos gehen unter die Haut, pulsieren in Poetry Slams oder auf TikTok und werden in Super Bowl Half Time Shows zum kommerziellen Exzess. Dennoch komponiert die Popkultur meine Erlebnisse und das kollektive Gedächtnis. It‘s my life – and it‘s now or never! (Jon Bon Jovi)
Pop sei Dank, ich lebe, egal ob like oder dislike. Nie war mehr Welt, nie mehr Kaputt. Ja, Pop ist Big Business, Wissenschaft und Flipper zugleich. Aus Spotify, YouTube, Instagram, Netflix und Co. schallen schon jetzt die Parolen der Zukunft. Gewiss: Pop ist oberflächlich – aus Tiefe; wie wir. Love, Peace and Freedom bleiben das Magnificat gegen Gewalt. Gitarren statt Knarren! Heilig ist dem Pop nur eins: das Glück.
Allen, die sich nach Pop sehnen, dem Einmaleins vom Glück, dem Alphabet der Zärtlichkeit, der Parole zur Solidarität: Herzlich willkommen in der Evangelischen Akademie Tutzing!
Pfr. Dr. phil. Jochen Wagner, Evangelische Akademie Tutzing
Prof. Dr. Bernd Scheffer, LMU München