„Wohl und Wille des Kranken seien höchstes Gesetz“, so lautet ein althergebrachter Grundsatz der Medizin. Heute würde man formulieren: „Die Medizin dient dem Wohl und dem Willen des Patienten“. Dieser Wandel dokumentiert sich auch im Recht. Heil, Heilung, Wohlergehen und Entscheidungsbeteiligung der Patienten sollen höchste Richtschnur sein.
Und wir tun alles dafür: First-Class Krankenzimmer für Reiche, gute und moderne Medizin für alle; immer bessere Regelungen zur rechtlichen Absicherung von Patienten; eine moderne Servicementalität gepaart mit professioneller Pflege; ausgefeilte Diagnostik und ausführliche Beratung auf hohem Standard; und jetzt auch „individualisierte Medizin“. All dies bietet unser Gesundheitssystem zum Wohle der Patienten.
Dennoch – es zeigen sich auch Risse und Brüche: „Im Krankmachhaus“ tituliert DIE ZEIT im Sommer. Die Süddeutsche Zeitung mahnte : „Vorsicht, Klinik!“ Die Patienten sind Konsumenten und prüfen skeptisch; Skandale werden gnadenlos publiziert. Und immer wieder taucht der Verdacht auf, dass viele an diesem System eben doch nur verdienen wollen: Unnötige Diagnosen, unnötige Behandlungen, unnötige Medikamente. Sie mögen nicht die Regel sein, aber sie sind Realität.
Manchmal ist schwer zu glauben, dass wir alles nur zum Wohle der Patienten unternehmen. Und was heißt überhaupt „Wohl“ des Patienten? Sind wirklich alle eingeschlossen? Nicht jeder kann sich die beste Behandlung leisten (Chefarzt nur nach Zuzahlung). Vulnerable Patientengruppen werden unterschiedlich intensiv von der Gesellschaft wahrgenommen und geschützt. Alte und psychisch kranke Patienten genießen weniger Aufmerksamkeit als andere.
Solche Unterschiede lassen aufhorchen. Patientenwille als Maßstab? Mittelpunkt Patientenwohl? Danach fragt das traditionsreiche „Patientenforum Medizinethik“ und lädt zur Tagung nach Tutzing ein.
Prof. Dr. Dieter Hart, Institut für Informations-, Gesundheits- und Medizinrecht an der Universität Bremen
PD Dr. med. Dr. phil. Ralf J. Jox, Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin an der LMU München
Pfr. Frank Kittelberger, Studienleiter an der Evangelischen Akademie Tutzing
Prof. Dr. rer. soc. Dipl. Psych. Stella Reiter-Theil, Professorin für Medizin- und Gesundheitsethik am Universitätsspital und den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel