Der Briefwechsel zwischen Cosima Wagner und Richard Strauss ist das Protokoll eines Aufbruchs ins neue Jahrhundert. Die alternde Cosima, "Herrin des Hügels", nimmt den sehr jungen Strauss an die Hand, mit untrüglichem Instinkt für das erwachende Genie, um ihn im Dienst an "dem Geist, der uns Deutsche groß gemacht hat, damit er heilig gehalten wird", im Schatten des Bayreuther Grals aufzubauen. Von dieser Hand wird er sich dann losreißen, nicht aber vom Sendungsgedanken des "Meisters", Richard Wagner.
Diesen Sendungsgedanken wird Richard Strauss im neuen Jahrhundert unbedingt weiter verteidigen, er sah sich selbst als letzten in der Reihe Bach – Beethoven – Wagner und zugleich als deren Erben. "Es ist ein schlimmer Zwiespalt, von der Überflüssigkeit der heutigen Theater ganz durchdrungen zu sein und doch sich sagen zu müssen, dass ein mutvolles Ausharren selbst auf verlorenem Posten, der Sache immer noch dienlicher ist als die Flinte ganz ins Korn zu werfen". In den späteren Jahren seines Lebens geschieht dies allerdings auch um den Preis, in den finstersten Dunstkreis der Macht und ihrer Apolo-geten zu gelangen und dort zu verharren, bis er den NS-Machthabern schließlich unbequem wurde. Gleichsam sein eigenes Lebensmotiv thematisierend hieß Richard Strauss‘ letztes Werk: METAMORPHOSEN. 1946 wurde es in Zürich uraufgeführt.
Dieses Leseprojekt ist der Versuch, anhand der vielfältigen Verbindungen mit der Familie Wagner eine frühe, prägende Entwicklung für Richard Strauss nachzuzeichnen. Über den Briefwechsel mit Cosima Wagner hinaus gibt es Korrespondenzen mit Siegfried Wagner und seinen Halbschwestern, die schließlich bis 1940 reichen. Ergänzt werden diese Briefe durch die "Briefe an die Eltern" (zum Teil bisher unveröffentlicht), ebenso durch den Briefwechsel mit dem Jugendfreund Ludwig Thuille und später mit Hugo von Hofmannsthal, Stefan Zweig u.a.