„ÜBERN DAMM UND DURCH DIE DÖRFER"
Berlin erfindet sich immer wieder neu: Über Jahrzehnte hinweg Symbol der Teilung Deutschlands, hat sich Berlin in den Jahren seit der Maueröffnung mehrfach verändert. Ging es in den ersten Monaten und Jahren nach der Wende eher anarchistisch zu, folgte – spätestens mit dem Umzugsbeschluss – die große Bauphase, und es begann ein noch immer anhaltender Zuzug in die Stadt.
Analog dazu die Entwicklung der Literaturstadt Berlin: In den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts war Berlin Zentrum der deutschen Literatur. Damals lebten z.B. Günter Grass, Uwe Johnson, Max Frisch und Hans Magnus Enzensberger kaum zwanzig Fuß-Minuten voneinander entfernt im Berliner Stadtteil Friedenau. Die Szene war vielfältig und lebendig. Die Teilung der Stadt jedoch führte dazu, dass die Bedeutung der Literaturstadt Berlin zusehends schwand und das literarische Leben sich auf andere Städte verlagerte.
Ausschlaggebend war dabei auch, dass trotz des Verbleibs einiger weniger wichtiger Verlage in Westberlin, die größten Häuser in der alten Bundesrepublik angesiedelt waren.
Anders verhielt es sich in Ostberlin, das als Hauptstadt der DDR nicht nur der bedeutendste Standort der Ostverlage und der offiziellen Literatur war, sondern auch das Zentrum inoffizieller Literatur.
Nach dem Fall der Mauer ändert sich die Situation erneut, rasch begann der Aufstieg des wiedervereinten Berlins zur Literaturhauptstadt Deutschlands. Zunächst kamen – u. a. der billigen Mieten wegen – die Autoren und freien Kritiker, dann begannen Verlage wie Rowohlt oder Eichborn Tochterfirmen in Berlin zu etablieren. In der Folge stockten die Feuilletons der großen Zeitungen ihre Berliner Redaktionen auf und mit dem Umzug des Suhrkamp Verlages siedelte schließlich der vielleicht einflussreichste Literaturverlag der alten Bundesrepublik von Frankfurt nach Berlin über.
Heute ist Berlin wohl der Ort, an dem pro Abend die meisten literarischen Veranstaltungen auf der Welt über die Bühne gehen.
An einem langen Wochenende im September spazieren wir durch die Literaturlandschaft der Hauptstadt und lernen einige ihrer Akteure kennen – suchend, redend, lauschend und lesend. Wir freuen uns, Sie dazu einladen zu dürfen!
Judith Stumptner, Evangelische Akademie Tutzing
Thomas Geiger, Literarisches Colloquium Berlin