In seinem Buch „Kapitalismus, Sozialismus, Demokratie“ stellte Joseph Schumpeter 1942 die Frage nach den Funktionsbedingungen der Demokratie. Vor dem Hintergrund von Krise und Krieg analysierte er die damals bevorstehenden postkapitalistischen Transformationen, aus denen später die Soziale Marktwirtschaft hervorgehen sollte.
Im beginnenden 21. Jahrhundert zeichnet sich ein vergleichbar weitreichender Wandel der Basisinstitutionen unserer Gesellschaft ab. Einschlägige Diskussionen kreisen um Begriffe wie Global Governance, Multi-Level Governance und Zivilgesellschaft . Diagnostiziert wird eine Erosion der Demokratie und – angesichts der Entwicklung von Einkommens- und Vermögensverteilung – das Wiederaufleben eines patrimonialen Kapitalismus.
Prägend für unsere Zeit sind die inneren Blockaden demokratischer Institutionen, deren Wetterleuchten nicht nur im Kontext der Entwicklung der EU sichtbar wird. Die begrenzte Handlungsfähigkeit von Demokratien angesichts multipler Krisen wird weithin kritisiert: Das wellenartige Aufbranden von Krisen (gegenwärtig der Finanz-, Wirtschafts-, Währungs- und Flüchtlingskrise) drängt jeweils eine Zeitlang alles andere in den Hintergrund öffentlicher Wahrnehmung. Politik aber beschränkt sich oftmals auf Eindämmungsstrategien, welche die Ursachen der Krisen kaum lösen können und die Keime der nächsten Krise schon in sich tragen.
Doch setzen all diese Herausforderungen nicht auch Kräfte und Akteure des institutionellen Wandels frei? In „Kapitalismus, Sozialismus, Demokratie“ entwickelte Schumpeter Grundzüge einer Theorie gesellschaftlichen Wandels. Demnach unterliegen auch die Mechanismen und Akteurs-Konstellationen der Transformation selbst diskontinuierlichen Transformations-prozessen.
Die Tutzinger Tagung diskutiert unterschiedliche Konzeptionen institutionellen Wandels. Dabei ergänzen sich Zugänge aus der Wirtschaftssoziologie, der Institutionenökonomik, der Politikwissenschaft , der Sozialpsychologie und der evolutorischen Ökonomik. Zentrale Fragen sind etwa: Kann die soziale Marktwirtschaft mit den gesellschaftlichen Entwicklungen Schritt halten? Und wie kann sich die Demokratie angesichts supranationaler Herausforderungen weiterentwickeln?
Wir laden alle Interessierten nach Tutzing ein, um die institutionelle Transformation multiperspektivisch aufzuarbeiten. Herzliche Einladung auch zur Beteiligung am Call for Papers zu diesen herausfordernden Themen.
Katharina Hirschbrunn, Evangelische Akademie Tutzing
Prof. Dr. Richard Sturn, Universität Graz