WAS WIRD AUS DER ERINNERUNG?
Die Erinnerungskultur boomt, ob in Memoiren, in Film, Fernsehen und Internet, an historischen Orten, Gedenkstätten oder Museen. Das war nicht immer so, in der frühen Bundesrepublik wurde die NS-Vergangenheit schamvoll beschwiegen. Offensichtlich gibt es heute nicht nur ein breites Bedürfnis, sondern auch ein gesellschaftliches Übereinkommen zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.
Freilich ist das persönliche Gedächtnis nicht immer mit der öffentlichen Repräsentation von Vergangenheit eins. Welche Rolle spielen individuelle Zeugnisse im Kanon offzieller Geschichtsproduktionen? Wie stellen sich Erinnerungskulturen aus der Sicht der Kunstwissenschaften dar, die den Begriff weiter fassen und ihn nicht nur auf die Zeitgeschichte beziehen? Welche Schärfung widerfährt der Erinnerung, wenn sie sich in ästhetischen und erzählerischen Formen artikuliert? Und in welcher Gefahr steht sie, wenn sie für kurzfristige Zwecke der „Politik mit der Vergangenheit“ funktionalisiert wird?
Wir machen uns auf Stoffsuche in Literatur, Film und Biographie, besuchen in Nürnberg das Deutsche Kunstarchiv im Germanischen Nationalmuseum und das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände und stellen Fragen an Geschichte, Ästhetik, Kunstgeschichte und Psychologie. Welche Deutungen, aber auch welche Muster bestimmen das kollektive Gedächtnis? Hat die Erinnerungskultur der Bundesrepublik eine Zukunft? Wie verbindlich ist sie für ein kün iges Zusammenleben? Die Fragen nach dem Umgang mit der Vergangenheit sind hochaktuell.
Wir gehen ihnen an ausgewählten Beispielen nach und zeigen dabei maßgebliche Vergangenheitsdiskurse der Gegenwart auf. Nürnberg bietet zudem einen besonderen Ort, an dem sie exemplarisch vorgeführt und diskutiert werden können. Wir laden herzlich dazu ein!
Dr. Ulrike Haerendel, Evangelische Akademie Tutzing
Boris Schafgans, Berlin
Prof. Dr. Martina Sitt, Universität Kassel
Florian Dierl M.A., Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, Nürnberg