GENDER TROUBLE
– der durch Judith Butler berühmt gewordene Begriff könnte auch zur Kennzeichnung der aktuellen Debatten um Zuwanderung und Gesellschaftspolitik verwendet werden. Einige – im rechten oder rechtsextremen Lager – machen es sich allerdings ganz leicht: Spätestens mit der Silvesternacht 2015/16 in Köln war für sie klar, dass weitere Zuwanderung nach Deutschland abzulehnen ist.
„Die Flüchtlinge" belasten in ihren Augen nicht nur unser Sozialsystem unverhältnismäßig, sondern gefährden unsere Sicherheitslage und belästigen und nötigen „unsere Frauen". Vorfälle und Straftaten wie in Köln werden pauschal gegen alle Einwanderer verwendet, um Immigration generell abzulehnen. Genauere Blicke machen indes deutlich, dass solche kruden Schuldzuweisungen und menschenfeindlichen Einstellungen, wahlweise auch gegen „Kopftuchträgerinnen", die eigentliche Gefährdung unserer Demokratie und ihrer Werte darstellen. Denn dass Belästigungen, Nötigungen und Straftaten gegen Frauen verfolgt und sanktioniert werden müssen, darüber besteht ja gar kein Dissens. Wie aber treten wir für unsere liberalen Errungenschaften ein - darunter die Gleichstellung von Mann und Frau und das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung – ohne Aggression und Feindbilder? Wie verhindern wir, dass Geschlechtergleichheit in Negation ihrer ethischen Grundlagen als Argument der Abweisung, Ausgrenzung und Diskriminierung instrumentalisiert wird? Und wie schließlich rücken wir solidarisch mit eingewanderten und anderen Menschen zusammen, die aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Sexualität, ihres Alters, ihrer Herkunft und Religion sowohl als Personen wie auch als soziale Gruppe heftigen Angriffen ausgesetzt sind?
Mit der Tagung an der Evangelischen Akademie Tutzing wollen wir dazu einladen, gemeinsam zu diskutieren, welche Gefährdungen wir für „Gender, Vielfalt und Demokratie" in den gegenwärtigen Debatten sehen und welche politische Kultur wir dagegen setzen können. Die eingeladenen Expertinnen analysieren soziale, kulturelle und politische Hintergründe und helfen uns durch ihre Inputs, das kontroverse Feld zu sortieren. Dabei wollen wir auch einen Blick über die Landesgrenzen werfen und fragen, welche Strategien Feministinnen dort gegen den wachsenden aggressiven Rechtspopulismus verfolgen.
Wir freuen uns auf regen Austausch in der Evangelischen Akademie Tutzing!
Dr. Ulrike Haerendel, Stellv. Direktorin, Evangelische Akademie Tutzing
und das Tagungsteam von NeGG, Netzwerk Genderforschung und Gleichstellungspraxis Bayern