Sorge ist ein sehr grundlegender Teil unserer menschlichen Existenz, aber sie wird häufig als unwichtig erachtet.
Joan Tronto
Joan Tronto
Sorge ist ein Grundpfeiler unserer Existenz. Menschen sorgen sich – um sich, um andere, um ihre Umwelt. Auch die Gesellschaft sorgt sich – wir haben uns die gemeinschaftliche Sorge um diejenigen zur Aufgabe gemacht, die nicht oder nicht mehr für sich selbst sorgen können. Sozialstaatliche und zivilgesellschaftliche Institutionen, unter ihnen Kirche und Diakonie, versorgen und umsorgen Menschen mit ihren ambulanten und stationären Angeboten, in ihren Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern und Hospizen.
Sorge beschreibt eine Grundtätigkeit unseres Gesundheitswesens. Ein echtes und umfassendes Umsorgen von Pflegebedürftigen steht aber seit Jahren massiv unter Druck: zu wenig Geld, zu wenig Personal, zu wenig Anerkennung und Bezahlung. Sich liebevoll kümmern wollen und sich liebevoll kümmern können, sind häufig unvereinbar. Viele geben auf. Ist das Problem nur noch mit billigeren, ausländischen Pflegekräften zu lösen, die längst „systemrelevant“ sind? Werden Pflegekräfte gar bald von Robotern ersetzt? Werden unsere Alten und Kranken bald ihre Stunden mit humanoiden Robotern verbringen, weil den Pflegenden die Zeit für echte Begegnung fehlt?
Sorge ist ambivalent. Mit der steigenden individuellen Verantwortung in der Gesundheitsvorsorge nagen zum Beispiel Fragen wie: „Habe ich mich auch wirklich um alles gekümmert, was in meiner Macht steht?“ Und auch die Fürsorge als Gebot christlicher Nächstenliebe kann für Ambivalenz sorgen, denn es gilt auch, die eigenen Kräfte im Blick zu behalten.
Sorge ist nicht zuletzt ein ethischer Begriff: Er fragt nach unserem Leben. Er fragt nach unserem Menschenbild. Wie wollen wir miteinander umgehen – im Gesundheitswesen, in der Gesellschaft? Wie kann eine Haltung der Sorge gelebt werden? Wie sieht eine Ethik der Sorge aus, die weder die Bedingungen der Pflege in Deutschland ignoriert, noch vorschnell akzeptiert?
Wir laden Sie ein, mit uns über eine Ethik der Sorge ins Nachdenken zu kommen. Wie üblich findet die Fachtagung Technik – Ethik – Gesundheit unter starker Beteiligung von Lehrenden und Studierenden der Evangelischen Hochschule Nürnberg statt – pandemiebedingt in diesem Jahr als eintägiges Online-Format. Seien Sie dabei, wir freuen uns auf Sie!
Prof. Dr. Arne Manzeschke, Professor für Anthropologie und Ethik der Gesundheitsberufe an der EVHN, Leiter der Fachstelle für Ethik
und Anthropologie im Gesundheitswesen der ELKB
Pfr. Dr. Hendrik Meyer-Magister, Pfarrer, Studienleiter für „Gesundheit, Künstliche Intelligenz und Spiritual Care“, Evangelische Akademie Tutzing