"ES GIBT DICHTER, DIE ALLES MÖGLICHE SAGEN, ...
... und dies immer auf die gleiche art und weise. solches zu tun habe ihn nie gereizt; denn zu sagen gebe es schließlich nur eines; dieses aber immer wieder, und auf immer neue weise.“ So umreißt Ernst Jandl, der wohl international bekannteste Autor der deutschsprachigen experimentellen Literatur, seine poetologischen Vorstellungen. Neben Gedichten in Alltagssprache, oft gekoppelt mit traditionellen poetischen Mustern und Verfahren, finden sich in seinem mehr als zwanzig Bände umfassenden lyrischen Werk besonders experimentelle Formen: visuelle Gedichte, Lautgedichte und seit 1976 auch Gedichte in „heruntergekommener Sprache“. Diesen will sich die Tagung widmen.
Ausgehend von der Frage nach den Anknüpfungspunkten experimenteller Lyrik an die Avantgarde der 1920er Jahre (Dadaismus) möchten wir zunächst die thematisch wie formal „befreiende“ Wirkung dieser Texte kritisch hinterfragen und ein besonderes Augenmerk auf die Vorteile experimenteller Lyrik bei der Transformation von Sprache in Musik richten.
Im Wechsel von Fachvorträgen, Konzertstationen und Lesungen bildet den musikalischen Höhepunkt der Tagung die Uraufführung eines „Liederzyklus nach Jandl“ des Hamburger Komponisten Erhan Sanri, der hier im Reflex auf Beispiele der deutschen Liedromantik erstmalig erklingen wird.
„Kunst heute, also auch Dichtkunst, kann als fortwährende Realisation von Freiheit interpretiert werden.“ Im Sinne dieses Jandl-Postulats aus dem Jahr 1969 haben zudem die Tagungsteilnehmer selbst Gelegenheit, sich im Rahmen einer Schreibwerkstatt aktiv mit den verschiedenen Verfahren und Mustern experimenteller Lyrik auseinanderzusetzen und die Techniken, Wirkungsweisen und Schwierigkeiten kennenzulernen, die das Ablösen von gängigen sprachlichen Mustern mit sich bringt.
Als ein kreativer Niederschlag von „Freiheit“ bei um Identität und Abgrenzung bemühten sozialen Gruppen kann auch der rhythmisch markante Sprechgesang des „Rap“ gelten, der in einer musikhistorischen Herleitung genauer untersucht wird. Und nicht zuletzt findet sich der spielerische Umgang mit Klang, Rhythmus und Sprache auch in der Entwicklung neuer Codes der Jugendsprache. Ein Aspekt, der den Bogen schlägt zwischen dem Titel unserer Tagung – ein Jandl Zitat aus seinem Stück „die humanisten“ – und sprachlich markanten Entwicklungen der Gegenwart.
Wir laden Sie herzlich ein, dieses vielfältige Programm im schönen Ambiente des Tutzinger Schlosses zu genießen und dort mit einem festlichen Silvester-Buffet und einem heiteren Musikprogramm in den Salons den Jahreswechsel auf der Seeterrasse zu begehen!
Judith Stumptner, Evangelische Akademie Tutzing
Burkhard v. Puttkamer, Agentur Zwischenakt, Berlin
Burkhard v. Puttkamer, Agentur Zwischenakt, Berlin