„DA HABEN WIR UNS SO DURCHGESCHLAGEN …"
So wie die Zeitzeugin aus dem Ruhrgebiet beschreiben viele im Nachhinein die Zeiten des Übergangs. Mit der verlorenen Schlacht von Stalingrad Anfang 1943 setzte nicht nur eine psychische Ablösung vom Regime in der deutschen Bevölkerung ein. Unter den Bedingungen des Luftkriegs funktionierte die Diktatur nicht mehr in der gleichen Weise. Die Notwendigkeit der Selbsthilfe und die errungene Selbstständigkeit gerade vieler Frauen verschoben auch den Blick auf die Autoritäten des NS-Staates, deren Durchhalteparolen man immer weniger Glauben schenkte.
Aber der Krieg ging an den verschiedenen Fronten, die Deutschland in Europa eröffnet hatte, noch zwei Jahre weiter und forderte ungeheure Opfer. Für die deutsche Bevölkerung bestimmte der Luftkrieg den Alltag. Gleichzeitig blieb die Diktatur gewaltsam und gefährlich bis in ihre letzten Tage: Ob Parteifunktionäre, beauftragte oder selbsternannte „Wehrwolf“-Einheiten Jagd auf Deserteure und „Verräter“ machten oder man allzu laut seine Zweifel am „Endsieg“ geäußert hatte – Gefahr für Leib und Leben drohte nicht nur von den alliierten Bomben. Für die unzähligen Zwangsarbeiter, die Häftlinge in den Konzentrationslagern, die wenigen Juden, die noch nicht deportiert worden waren, galt „Überleben!“ als tägliche Losung im Blick auf die ersehnte Befreiung.
Als „Displaced Persons“ erlebten sie die Nachkriegsjahre anders als die deutsche Mehrheitsbevölkerung, die sich mindestens bis zur Währungsreform 1948 weiterhin „durchschlug“. Von Politik und gar Vergangenheitsbewältigung wollten die meisten Deutschen nichts wissen und waren bereit, auch notorische „Nazis“ zu schonen, selbst wenn diese in der Demokratie schnell wieder zu einem Posten gekommen waren.
Die Zeit zwischen Stalingrad und Währungsreform schreiben wir in dieser Tagung weniger als Politikgeschichte, denn als Sozial- und Erfahrungsgeschichte. Vieles ist selbst für die, die sie erlebt haben, 75 Jahre nach Kriegsende irritierend. Historikerinnen und Historiker helfen uns bei der Einordnung und berichten aus der Forschung. Wir geben auch Gelegenheit, sich miteinander auszutauschen. Dabei interessiert uns nicht nur das Selbsterlebte, sondern auch, was die Nachgeborenen in ihren Familien gehört haben und mit welchen Erzählungen sie groß geworden sind. Wie hat uns diese Zeit geprägt? Das wollen wir zuletzt anhand des Fluchtgeschehens, das heute eine ganz andere Aktualität in Deutschland
hat, reflektieren.
hat, reflektieren.
Herzliche Einladung in die Evangelische Akademie Tutzing!
Dr. Ulrike Haerendel, Studienleiterin für Soziales, Familie und Generationen, Geschlechter- und Gleichstellungsfragen, Geschichte
Evangelische Akademie Tutzing