DER MENSCH WIRD ERST AM DU ZUM ICH
Martin Buber
Wenn Menschen und ihre Familien von der Krankheit Depression betroffen sind, suchen sie Hilfe und Behandlung. Therapeutinnen und Therapeuten, Ärztinnen und Ärzte und andere Behandelnde sind dazu meist kompetent ausgebildet. Sie bemühen sich um die Kranken und Familien. Allerdings wird diese Krankheit und ihre Entstehung bis heute unterschiedlich erklärt. Es gibt überwiegend biologische Ansätze ebenso wie überwiegend tiefenpsychologische. Dies führt zu einem unterschiedlichen Verständnis der Krankheit und der kranken Menschen; es führt auch zu unterschiedlichen Ansätzen in der Behandlung.
Je nach Erklärungsansatz wird die Rolle der Beziehungserfahrung von depressiv erkrankten Menschen sehr unterschiedlich gesehen. Mag der eine Blickwinkel die Sehnsucht nach konstanter und dauerhafter Beziehung und große Angst vor Trennung als zentralen Faktor für das Entstehen von Depression bezeichnen, gibt es andere Ansätze, die solche sozialen Faktoren bestenfalls als reinen Auslöser ansehen und Depression lieber neurologisch bzw. biochemisch erklären. Wieder andere erkennen in depressiven Episoden nur ein falsch erlerntes Handlungs- oder Verhaltensmuster. Die Frage nach der Bedeutung von Beziehungen in der Entstehung und Behandlung von Depressionen ist also zentral für therapeutische Konzepte, von denen heute mehrere um gesellschaftliche Anerkennung und Finanzierung ringen.
Ein erweiterter Blickwinkel wird nun auch die Familie und Freunde von Erkrankten in den Fokus rücken. Egal nämlich, ob Beziehungserfahrungen und aktuelle Beziehungswünsche als Teil der Krankheitsgeschichte oder gar als ihre Ursache angesehen wird, hat die Erkrankung Auswirkungen auf die soziale Umwelt. Somit ist also nicht nur die Frage der Beziehung zwischen Patienten und Behandelnden bedeutsam, sondern auch der Blick auf das gesamte Beziehungsgeflecht der erkrankten Person und die Wechselwirkung zwischen den Kranken und ihren gesunden Bezugspersonen.
Diese Tagung wird sich der Frage der Beziehung im Verständnis und der Behandlung von Depressionen unter dem Blickwinkel des Menschen als sozialem Wesen – mit einer Disposition und einem Bedürfnis nach Beziehungen – widmen. Ein reger und angeregter Austausch zwischen Fachleuten, Behandelnden, Patientinnen und Patienten sowie Angehörigen und interessierten Bürgerinnen und Bürgern ist garantiert! Wir laden dazu herzlich in die Evangelische Akademie Tutzing ein.
Dr. med. Joachim Hein, Münchner Bündnis gegen Depression e.V., München
Prof. Dr. med. Peter Henningsen, Klinikum rechts der Isar der TU München, München
Frank Kittelberger, Evangelische Akademie Tutzing