Dabeisein ist alles - doch sind alle dabei?
Die erfolgreiche Behandlung psychischer Störungen hängt nicht nur von Medikation, Psychotherapie, gemeindepsychiatrischer und sozialer Unterstützung ab, sondern in hohem Maße auch davon, ob es gelingt, einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu erhalten oder neu zu finden. Die Beschäftigungsquote von Menschen mit häufigen und länger dauernden Erkrankungsphasen ist erschreckend niedrig. Zweifel und Barrieren erschweren den Zugang zur Arbeitswelt und den Erhalt eines sicheren und erfüllenden Arbeitsplatzes.
Die Gesellschaft hat als Antwort auf diese Probleme unterschiedliche Angebote von (beschützenden) Arbeitsplätzen und Beschäftigungsverhältnissen geschaffen. Doch dieser Markt ist unübersichtlich und unterschiedlich wirksam. Strukturelle Fragen, therapeutische Vorgehensweisen, konkrete Modelle und persönliche Erfahrungen müssen diskutiert werden. Eine solidarische Gesellschaft muss Brücken bilden zwischen den Möglichkeiten von Menschen mit psychischen Erkrankungen und der „gesunden“ Welt der Arbeit. Andere zu beteiligen und sich selbst beteiligt zu fühlen, sind elementare Kategorien des Menschseins. In einer sorgenden Gesellschaft dürfen das Wertgefühl und die Wertschätzung nicht einfach in blanker Wertschöpfung aufgehen!
Mag dieses Thema an sich bereits ausreichend kritische Anfragen an unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt richten, hat die Coronakrise die Problematik nochmals deutlich verschärft. Die psychische Belastung von Menschen aller Altersgruppen und sozialen Schichten ist gestiegen, viele sind psychisch erkrankt. Menschen mit bestehenden psychischen Krankheiten wurden durch die Pandemie und ihre Begleitumstände zusätzlich belastet.
Der Tradition der Tutzinger Psychiatrietagungen folgend, werden wir Behandelnde, Psychiatrieerfahrene und Angehörige miteinander ins Gespräch bringen und zugleich den Dialog mit der Arbeitswelt suchen.
Wir freuen uns, Interessierte bei der 16. Psychiatrietagung in der Evangelischen Akademie Tutzing willkommen zu heißen!
Pfr. i.R. Frank Kittelberger
Pastoralpsychologe; freier Mitarbeiter und ehemals Studienleiter an der Evangelischen Akademie Tutzing
Chefarzt i.R. Dr. med. Herbert Steinböck
Aufsichtsratsvorsitzender Bayerische Gesellschaft für psychische Gesundheit e.V.; ehemals Leiter Maßregelvollzug am kbo-Isar-Amper-Klinikum München-Ost
Dipl. Sozialpäd. Margit Klemer
Sozialpädagogin; geschäftsführender Vorstand Bayerische Gesellschaft für psychische Gesundheit e.V.
Dr. phil. Dipl. Psych. Heinrich Berger
Psychologischer Psychotherapeut; Vorstandsmitglied Bayerische Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V.