UNGLEICHBEHANDLUNG VON GEFLÜCHTETEN?
Im Koalitionsvertrag 2021-2025 der Bundesregierung ist auch ein Paradigmenwechsel in der Migrations- und Integrationspolitik angekündigt. Dazu gehört unter anderem eine Neuordnung des Aufenthalts- und Bleiberechts. Sie soll neue Chancen schaffen für geflüchtete Menschen, die seit langem mit Kettenduldungen in Deutschland leben. Gut integrierte junge Leute bis zum 27. Lebensjahr sollen nach drei Jahren, Menschen, die sich um Integration bemüht haben, nach sechs Jahren ein Bleiberecht bekommen können und Familien nach vier Jahren. Auch sollen langjährig Geduldete ein einjähriges Aufenthaltsrecht erhalten, um besser in einen dauerhaften Aufenthalt zu kommen.
Dieser Paradigmenwechsel entspricht sowohl dem Bedürfnis geflüchteter Menschen nach einer sicheren Perspektive als auch dem Bedürfnis Deutschlands nach Einwanderung.
Der Gesetzesentwurf wurde schon vom Kabinett gebilligt und aktuell im Bundesrat behandelt. Verbände wie Pro Asyl oder der Paritätische Wohlfahrtsverband haben Stellungnahmen abgegeben.
Seit 2022 ist mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine zusätzlich eine neue Dynamik entstanden: Die von dort Geflüchteten werden nicht nach dem Asylrecht, sondern nach der EU-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz (Massenzustroms-Richtlinie) behandelt. Sie müssen keine Asylverfahren durchlaufen und haben sofort Zugang zu Deutsch- und Integrationskursen, zu Arbeitsmarkt, Schulsystem und Gesundheitsversorgung.
De facto sind damit aber bisherige Geflüchtete in den Hintergrund getreten. Die Ungleichbehandlung durch ein anderes Rechtsregime belastet Geflüchtete und ehrenamtliche Unterstützer:innen. Letztlich sind viele, wie Menschen aus Syrien, Irak und Afghanistan, vor genauso zerstörerischen Kriegen geflohen wie heute die Ukrainer:innen. Das Gefühl eines Zweiklassen-Flüchtlingsschutzes entsteht.
Vor welchen Herausforderungen stehen wir heute angesichts dieser komplexen Situation?
Wie können wir den Geflüchteten, die bei uns Schutz suchen, gerecht werden? Welche ersten Impulse setzt die Bundesregierung und wie sind sie vor Ort umsetzbar?
Zur Debatte über diese und weitere Fragen laden wir Sie herzlich in die Evangelische Akademie Tutzing ein!
Udo Hahn, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing
Claudia Steinke, Koordination, Ökumenischer Unterstützerkreis Tutzing