Udo Hahn, Begrüßung zur Kanzelrede mit Peter Küspert
Es gilt das gesprochene Wort!
Udo Hahn, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing
Kanzelrede, Begrüßung am 10. März 2019, 11.30 Uhr
Sehr geehrte Damen und Herren, verehrte Gäste,
als Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing ist es mir eine große Freude, Sie heute zu unserer Kanzelrede begrüßen zu dürfen. Mein Name ist Udo Hahn. Herzlich willkommen heiße ich Sie auch im Namen von Brigitte Grande, der Vorsitzenden des Gesamtfreundeskreises der Evangelischen Akademie Tutzing. Beide, Akademie und Freundeskreis, veranstalten gemeinsam die Kanzelrede und laden dazu zweimal im Jahr in die Erlöserkirche an der Münchner Freiheit in München-Schwabing ein. Heute sind unter uns Gäste aus allen bayerischen Regierungsbezirken – die Leiterinnen und Leiter der örtlichen Freundeskreise. Sie vertreten die Evangelische Akademie Tutzing in ganz Bayern und bereichern mit eigenen Angeboten die regionale Bildungsarbeit. Im Anschluss an die Kanzelrede treffen sich die Vertreterinnen und Vertreter der Freundeskreise zu einem Erfahrungsaustausch.
Die Kanzelrede ist seit 1997 ein viel beachtetes Format unserer Arbeit. An dieser Stelle haben u.a. schon Joachim Gauck, Gesine Schwan, Heribert Prantl, Christian Stückl, Harald Lesch, Christian Springer sowie Charlotte Knobloch gesprochen. Und jetzt: Peter Küspert, Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes und des Oberlandesgerichts München. Schön, dass Sie bei uns sind!
Ich darf Ihnen den heutigen Kanzelredner kurz vorstellen: geboren 1955 in Hof, Jurastudium in Regensburg, Beginn der juristischen Laufbahn 1983 in der Justiz des Freistaates Bayern als Richter an den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen. Es folgten verschiedene Verwendungen als Richter und Staatsanwalt. Nach mehreren Jahren Tätigkeit im Bayerischen Staatsministerium der Justiz 2003 Berufung zum Präsidenten des Landgerichts Regensburg. 2010 Leiter der Personalabteilung im Bayerischen Staatsministerium der Justiz. 2011 bis 2015 Präsident des Oberlandesgerichts Nürnberg. Seit März 2015 Präsident des Oberlandesgerichts München und des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof bildet im Freistaat Bayern eines der drei Verfassungsorgane – neben Landtag und Staatsregierung. Das Wort unseres heutigen Kanzelredners hat also Gewicht. Sein Thema heute lautet: „Was uns zusammenhält – Die Rolle der Verfassung in der pluralen Gesellschaft“.
Dass wir über Zusammenhalt nachdenken und uns Gedanken machen, wie er auch künftig zu gewährleisten ist, hat seinen Grund. Es ist die Erfahrung der Auswirkungen von Globalisierung, Digitalisierung, Beschleunigung und Entgrenzung. Diese Begriffe sind zu Synonymen für Fliehkräfte geworden, die auseinanderreißen können, was jedoch zusammenbleiben muss. Denn eine Gesellschaft funktioniert nur dann gut, wenn ihre Bürgerinnen und Bürger diese Herausforderungen bestehen und friedlich und respektvoll zusammenleben. Politik, Zivilgesellschaft und die Kirchen haben die Aufgabe, sich für die Wahrung des gesellschaftlichen Zusammenhalts einzusetzen. Dass der gesellschaftliche Zusammenhalt auch ein Thema der Justiz ist, wird Peter Küspert illustrieren.
Wer nach der Basis für ein gelingendes Zusammenleben fragt, kommt m.E. nicht daran vorbei, sich mit dem Recht zu beschäftigen, speziell mit dem Grundgesetz, unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung, die vor siebzig Jahren entstand. Das Grundgesetz beschreibt insbesondere in seinen ersten 20 Artikeln unverrückbare Werte und Prinzipien des Zusammenlebens. Es sichert das friedliche Zusammenleben in Deutschland – und zwar in Freiheit und Pluralität. Damit dies so bleibt, muss es von allen hier lebenden Menschen akzeptiert und respektiert werden.
Der Begriff der Werte ist für sich genommen jedoch sehr vieldeutig: Die Bandbreite ist groß. Sie reicht von Grundrechten und der Verfasstheit als demokratischer Rechtsstaat, wie das im Grundgesetz zum Ausdruck kommt, über Werte, die von Religionen in unterschiedlicher Weise postuliert werden, bis hin zu materiellen Werten, individuellen Lebenszielen oder unterschiedlichem ästhetischem Geschmack. Werte sind oft subjektiv und partikular. Werden sie trotzdem pauschal zur Voraussetzung von Zugehörigkeit und Beteiligung erhoben, führen sie oft zur Ausgrenzung derer, die diese Werte nicht oder nur eingeschränkt teilen.
Der wichtigste Integrationsfaktor heutiger Gesellschaften ist nach meiner Auffassung deshalb das Recht. Es beinhaltet Normen, Regelungen und Verfahren, die Zusammenhalt möglich machen. Grundlage eines solchen Rechtssystems, das die Würde der Menschen und ihre Freiheitsrechte schützt, ist in Deutschland das Grundgesetz. Es ist die entscheidende Wertebasis, die durch seine Freiheitsgarantien das Zusammenleben in Verschiedenheit und Solidarität möglich macht.
Zusammenhalt entsteht bzw. wird gewährleistet durch Respekt und Toleranz. Beides in unserer Gesellschaft zu stärken – das ist eine Aufgabe, der sich auch die Evangelische Akademie Tutzing und ihr Freundeskreis widmet. Mit politischer Bildung soll das Bewusstsein für den Wert unserer Demokratie und unserer Grundrechte geschärft werden. Denn: Für einen funktionierenden gesellschaftlichen Zusammenhalt braucht es mündige, informierte und engagierte Bürgerinnen und Bürger, die von ihrer Freiheit Gebrauch machen und für sich und die Gesellschaft Verantwortung übernehmen. Die heutige Kanzelrede will hier zur Orientierung beitragen.
Ehe Peter Küspert gleich das Wort ergreift, möchte ich noch dem Kirchenvorstand der Erlöserkirche zusammen mit Pfarrer Gerson Rabe sehr herzlich danken, dass wir hier zu Gast sein dürfen. Die nächste Kanzelrede findet am 20. Oktober statt. Wenn Sie eine persönliche Einladung erhalten möchten, teilen Sie uns dies bitte mit. Nun hat Peter Küspert das Wort. Schon jetzt vielen Dank für Ihren Vortrag!