Tagungsbericht: “Grünes Kapital?”
“Investment auf dem ethischen Prüfstand” – so lautete der Untertitel der ersten Hybrid-Tagung in der Akademiegeschichte. Studienleiter Martin Waßink beschäftigte sich mit seinen Referierenden mit der Frage, wie der Anspruch an moralisches und verantwortungsvolles Investieren von Staaten, Unternehmen und Zivilgesellschaft erfüllt werden und welche Verantwortung jede und jeder Einzelne tragen kann. Zum Bericht.
Am Wochenende des Reformationstags und Allerheiligen trafen sich knapp 60 Gäste und Referierende zur ersten Hybrid-Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing. Sowohl vor Ort als auch via Online-Zuschaltung aus Deutschland, Österreich und England konnten sich die Referierenden und Mitdiskutanten an der Veranstaltung beteiligen. So leisteten sowohl Tagungsleitung, Präsenzteilnehmende als auch Online-Gäste Pionierarbeit bei ersten Hybrid-Tagung in der Geschichte der Akademie.
Ziel der Tagung war, die Wirkungen und den Umgang mit Geld von verschiedenen Akteuren zu reflektieren und auf den ethischen Prüfstand zu stellen. Sowohl Unternehmensvertreterinnen, die Evangelisch-Lutherische Landeskirche in Bayern, eine Bürgerbewegung und weitere Referierende aus Wissenschaft und gemeinnützigen Vereinen tauschten sich über die Frage der Nachhaltigkeit von langfristigen Geldanlagen aus. Was ist überhaupt Nachhaltigkeit? Welche gesetzlichen Entwicklungen gibt es, damit auch Geldströme ihren Teil zur Einhaltung der Pariser Klimaziele gewährleisten? Und was kann jeder einzelne als Bürgerin und Bürger tun? Es wurde auch – der Bedeutung des Themas angemessen – intensiv diskutiert.
“An dem Hebel, den ich habe, an dem ziehe ich … als Christ widerspreche ich!”
Mit diesen leidenschaftlichen Worten des Auftrags und Motivation bezeugte Christoph Flad als Leiter der Nachhaltigen Vermögensanlage der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Bayern (ELKB) seinen Beitrag zum verantwortlichen Wirken der Kapitalanlagen seiner Kirche. Sein flammender Appell “Ich will, dass es gelingt!” folgte auf den Einwurf der Moderatorin des Podiums am Samstagnachmittag, Blanca Pohl, die einen Vertreter der IHK München und Oberbayern aus der Anhörung zum New Green Deal im bayerischen Landtag wenige Tage zuvor mit den Worten zitierte, die CO2-Neutralität bis 2050 sei “nicht umsetzbar” und das Ziel sei lediglich ein “Hoffnungswert”.[1] “Als Christ widerspreche ich!” stellte Flad diese Menschheitsaufgabe seiner Generation entschieden in eine Reihe mit der Lebensaufgabe der Kriegsfolgenverarbeitung und dem Wiederaufbau der Generation seiner Eltern. In den letzten Jahren sei die Vermögensanlage der ELKB so strukturiert worden, dass das Gesamtportfolio der Kirche schon jetzt kompatibel mit dem Zwei-Grad-Ziel bis zum Jahr 2049 sei. Das solle noch ausgebaut werden. Ferner führe er intensive Gespräche mit großen Unternehmen, die besonderen Nachholbedarf bei Klimaschutzbemühungen in ihrem jeweiligen Geschäftsmodell hätten.
Auf dem Podium präsentierten Johannes Engelhaupt und Georg Sauerwein die Ideen und Kampagnen der Bürgerbewegung Fossil Free München, die den Stopp von Investitionen in die 200 Unternehmen mit den größten Kohle-, Öl- und Gasreserven forderten. Schon zuvor konstatierten sie, dass sich die Industrie oft unethisch verhalte, wenn sie massives Lobbying gegen Klimaschutzmaßnahmen betreibe. Auch wiesen sie auf massive Menschenrechtsverletzungen hin, die im Zuge des Abbaus von Rohstoffen in Entwicklungsländern passierten. Der Stadt München bescheinigten Engelhaupt und Sauerwein, auf einem halbwegs guten Weg zur Desinvestition aus Emittenten von fossilen Energieträgern zu sein, monierten aber, dass die Landeshauptstadt immer noch 31 Prozent des Unternehmens Spirit Energy als massiven CO2-Emittenten kontrollieren würde.
Bereits zum Einstieg in diesen intensiven Samstagnachmittag erläuterte der Chef des Church of England Pension Funds, Adam Matthews, die Strategie des “Impact Investments”. Die zur Verfügung stehenden Milliarden an britische Pfund für Pensionsverpflichtungen sollten dadurch direkten Einfluss auf die Unternehmenspolitik nehmen: Mit einem speziellen Analysetool werden in den energieintensiven Branchen die zwanzig größten Unternehmen auf die Erfüllung von Klimazielen hin untersucht: Wie ist es um deren “Commitment” bestellt? Was wurde an geplanten Maßnahmen veröffentlicht? Wie weitreichend sind die Pläne zur Reduktion von CO2? Und sind sie in Übereinstimmung mit dem Zwei-Grad-Ziel? Beispielhaft berichtete er von konstruktivem Dialog mit dem Unternehmen Royal Dutch Shell, welches sich daraufhin vor kurzem zu einem Ziel von netto null CO2-Emissionen verpflichtet hätte. Er sieht die Church of England als Helfer der Unternehmen zur großen Transformation.
Wie sehen die Unternehmen selbst ihre Rolle für das Erreichen der UN-Klimaziele?
Die Nachhaltigkeits-Beraterin und Moderatorin des Podiums Blanca Pohl hatte bereits am Samstagvormittag eigene Zwischenergebnisse der Befragung von mittelständischen Unternehmen zu deren Finanzwesen präsentiert. Sie stellte anhand von Zitaten aus ihren geführten Interviews dar, wie die Entwicklung, Umsetzung und Steuerung der Nachhaltigkeitsstrategie innerhalb der Unternehmen erfolge. Eine regelmäßige Überprüfung wesentlicher Einflussfaktoren auf die jeweilige Nachhaltigkeitsstrategie werde praktiziert, das Controlling bliebe aber immer außen vor, was sie kritisierte. Auffallend sei auch, dass eine hohe Eigenkapitalquote im ambitionierten Umweltengagement Hand in Hand gehe. Das Ziel ihrer Studie sei, dass einige Best-Practice-Bespiele als Inspiration für andere Unternehmen dienen.
Im Anschluss daran wurde die unternehmerische Rolle bei der Umsetzung der Klimaziele nochmal verallgemeinert: Verena Jörg stellte als Vertreterin der IHK München und Oberbayern zusammen mit Karolina Krauss von der unterstützenden Kommunikationsagentur einen Wegweiser für kleine und mittlere Unternehmen zur Umsetzung der UN-Klimaziele im Kerngeschäft vor. Zunächst konstatierten sie, dass Unternehmen eine wichtige Rolle dabei spielten, ob die weltweit vereinbarten Klimaziele erreicht werden könnten. Auf Firmen wirkten sowohl “Pull-Faktoren” als auch “Push-Faktoren”: Auf der einen Seite gäbe es verschiedene Treiber wie die Präferenzen von Kunden und der Zivilgesellschaft, damit Unternehmen ihre Geschäftsprozesse hinterfragen und nachhaltiger gestalten. Auch die Politik würde in Form von Regulierungen zunehmend einen engeren gesetzlichen Rahmen ziehen, weil ökologische und gesellschaftliche Herausforderungen eine neue Dringlichkeit schafften. Andererseits biete die Transformation auch Chancen wie die Steigerung der Widerstandsfähigkeit und Risikominimierung und fördere Innovationspotentiale. Die Transformation bringe Wettbewerbsvorteile genauso wie sie Haftungsrisiken minimiere. Mit Blick auf die Corona-Krise habe sich bereits gezeigt, dass nachhaltige Unternehmen in der Krise resilienter seien. In der sich anschließenden Fragerunde wie sich die IHK zur Gemeinwohlökonomie positioniere, unterstütze Frau Jörg die Haltung hinter dem Konzept der Gemeinwohlökonomie, aber spätestens bei der Forderung, der Eigentumvergemeinschaftung könne sie dies als Interessensvertreterin eines Industrie- und Handelsverbands natürlich nicht befürworten.
Wer analysiert und entscheidet eigentlich was “nachhaltige Investments” sind?
Die Grundlage für die Diskussion der Rolle von Unternehmen bzw. der intensiven Diskussion am Samstag wurde bereits am Freitagabend gelegt: Mit einem Überblick aus dem aktuellen Jahresbericht des Forum Nachhaltige Geldanlage e.V. zeigte der Vorstandsvorsitzende dieses Interessensverbands mit 170 Mitgliedern von NGOs bis hin zu Fondsgesellschaften die Entwicklungen des nachhaltigen Anlagemarkts auf. Er gab keine eindeutige Definition von nachhaltiger Geldanlage sondern bot “drei Säulen der Nachhaltigkeit” mithilfe von Adjektiven an: ökonomische Nachhaltigkeit, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Nachhaltigkeit. Man könne sich Nachhaltigkeit als gleichzeitiges Befolgen zweier Postulate vorstellen: Zum einen “Lebe von den Zinsen und nicht vom eingesetzten Kapital!” (sodass Substanzerhalt des Geldes wichtig sei) und zum anderen “Achte auf Generationengerechtigkeit und berücksichtige soziale Komponenten, um den nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Welt zu hinterlassen!” Als konkrete aktuelle Entwicklungen führte er den Trend “Green Bonds” an, also Anleihen mit denen ausschließlich Klimaprojekte finanziert werden. Auch gebe es “Social Bonds”, mit denen Anlegerinnen und Anleger zweckgebunden nur soziale Projekte fördern würden.
Robert Haßler, Managing Director der Nachhaltigkeitsratingagentur ISS ESG, erinnerte sich im Eingang zu seinem Vortrag an seinen letzten Besuch der Evangelischen Akademie. Mitte der 1990er Jahre hatte er schon einmal hier zu “grünem Geld” gesprochen. Seitdem hätte sich viel getan: Heute verantwortet er das seit dem Jahr 2018 geschaffene “tiefgehende Nachhaltigkeitsrating” woran 20 Jahre lang gefeilt worden sei. Das Unternehmen ISS ESG beschäftigte weltweit fast 200 Analysten, so dass die Anzahl der analysierten Unternehme enorm ausgebaut werden konnte. Wichtig sei die Vermeidung von Interessenskonflikten. Dies würde dadurch gewährleistet, so Haßler, dass seine Dienstleistung nicht vom bewerteten Unternehmen bezahlt werde (Anmerkung: beim Rating von Anleihen durch die beauftragenden Banken ist das der Fall und gilt als eine der Ursachen der Finanzkrise von 2008), sondern von den Investoren, wie Fondsgesellschaften oder auch Kirchen. Die finanzielle Unabhängigkeit sei zentral, betonte Haßler, “um hinter den Vorhang schauen zu können”.
Die Methodik des “ESG Corporate Rating” umfasse insgesamt 800 Kriterien, wovon ein Großteil branchenspezifisch sei. So könne etwa bei einem Chemiekonzern oder in der Automobilbranche der jeweils spezifisch relevante Aspekt in Sachen Nachhaltigkeit beleuchtet werden. Wesentliches werde so stärker gewichtet, gleichzeitig werde ein breites Spektrum an Kriterien angewandt. Im Ratingprozess sei auch ein wichtiges interaktives Moment enthalten, sodass ein dialogorientiertes Vorgehen mit dem weltweit höchsten Standard gegeben sei. Dieser Unternehmensdialog diene der Qualitätssicherung und zeige Unternehmen auch auf, was hinter dem Nachhaltigkeitsansatz von ISS ESG stecke. Zudem werden die Unternehmen konkret nach ihren Zukunftsperspektiven der Unternehmen gefragt: Könne ein Chemieunternehmen zum Beispiel glaubhaft darlegen, wie gefährliche Substanzen im Produktionsprozess vermieden werden?
Abschließend gab Haßler einen optimistischen Ausblick in die Zukunft, in dem er auf den schon einige Jahre zurückliegenden Film “Eine unbequeme Wahrheit” von Al Gore zur Notwendigkeit der ernsthaften Beschäftigung mit dem Klimawandel verwies. Er hoffe mit einer Wahl Joe Bidens zum Präsidenten der USA, das dieser die nötigen gesetzlichen Weichen stellen werde, um auch die weltweit größte Wirtschaftsmacht zum Umsteuern zu bringen. Ferner strich er die besondere Bedeutung von NGOs für den Ratingprozess heraus: Diese lieferten gerade in Ländern wie China mit einer geringen Transparenz wichtige Informationen zu unschönen Seiten von Unternehmen.
Und welchen Einfluss hat jede Bürgerin und jeder Bürger?
Zum Einstieg in den zweiten Tag ging Prof. Karsten Klein auf die aktuellen gesetzlichen Entwicklungen seitens der Europäischen Union ein. Die EU hätte vor zwei Jahren angekündigt, Standards für Nachhaltigkeit definieren zu wollen was sie mit der vorliegenden “Taxonomie” auch einlöste. Diese sei aus seiner Sicht ein “Game-Changer” und werde unsere Art, wie wir Nachhaltigkeit denken, massiv verändern. Statt einem Schwarz-weiß-Denken, so Klein, werden Grautöne definiert, um das Ziel der Transformation der Wirtschaft gemeinsam zu erreichen. Die Europäische Kommission meine es offensichtlich ernst, indem sie klare und differenzierte Vorgaben für alle Geldströme mache. Er freue sich auf die erwarteten Auswirkungen dahingehend, wie wir Nachhaltigkeit denken und investieren.
Dass es dringend einer Änderung des Denkens und Handelns beim Umgang mit Geld bedarf, zeigte Klein aufgrund einer selbst durchgeführte Studie zum “Attitude Behaviour Gap” auf: Etwa die Hälfte aller Befragten befanden bereits 2016 das Kriterium der Nachhaltigkeit bei Geldanlagen als wichtig. Davon wiederum mache mehr als die Hälfte selbst nichts Konkretes und plane auch keine zukünftige Umsetzung. Für diesen Widerspruch zwischen Einstellung und Anlageverhalten identifizierte Klein aus den Befragungen drei Hauptgründe:
1) “Meine Bank hat mir bisher noch keine nachhaltigen Geldanlagen angeboten”. (Interessanterweise würden Banken wiederum auf die fehlende Nachfrage verweisen)
2) “Ich fühle mich zu wenig über nachhaltige Geldanlagen informiert.”
3) “Durchschnittliche langfristige Rendite nach Kosten sind bei nachhaltigen Aktienfonds geringer.”
Gerade die letzte Annahme sei falsch, da als nachhaltig definierte Aktienfonds mindestens genauso gute Renditen wie andere Fonds einbrächten. Daher sei es für ihn folgerichtig, eine Bildungsoffensive zu starten. Dies sei auch schon zumindest von Bankseite in Gange, da in Zukunft die Bankberater gesetzlich verpflichtet sein werden, das Thema Nachhaltigkeit anzusprechen. So würden Kundinnen und Kundenberater ins Gespräch kommen.
Finanzbildung – drastisch, einfach, anfassbar
Diese Bildungsfrage griff Herman-Josef Tenhagen als ehemaliger Chefredakteur von Finanztest und nun Vorstandsvorsitzender der Stiftung Finanztip auf: Es brauche die Finanzbildung, dass ein Gespräch auf Augenhöhe zwischen einer Kundin oder einem Kunden und einer Bank überhaupt erfolgen könne! Diese Bildung zum Thema nachhaltige Geldanlagen müsse schon im Leben der heutigen Jugend einen Platz haben. In der Schule könne Finanzbildung in alle Fächer integriert werden, was oft aber nicht stattfinde. Mit der Stiftung Finanztip möchte er Finanzbildung “für jeden, der sich in Bewegung setzen will” anbieten und auch in Schulen die Basics erklären.
Für Tenhagen seien es genau drei Schlagworte, wie das Thema angegangen werden müsse: Drastisch, einfach, anfassbar! Drastisch deswegen, da auf Auswirkungen hinzuweisen sei, wenn das Thema nicht ernst genommen werde. Schließlich auch anfassbar, da es transparente und überzeugende Anlagemöglichkeiten wie “hellgrüne” Indexfonds (ETFs) brauche, in deren Anlagespektrum Firmen wie Amazon, Facebook oder Handyhersteller nicht enthalten seien entweder aufgrund widriger Arbeitsbedingungen, fehlendem Datenschutz oder der Ausbeutung von Ressourcen in Entwicklungsländern. Auch nannte Tenhagen Beispiele für “dunkelgrüne” Fonds, die noch strengere Ansprüche an die investierten Gelder stellen. Tenhagen schloss mit der Hoffnung, dass der Trend eindeutig zu mehr nachhaltigem Investment bei Privathaushalten gehe.
Ein besonderes Beispiel für eine konsequent nachhaltige Geldverwendung stellte Eva Bahner, Bildungsreferentin des Oikocredit Förderkreises Bayern e.V., vor. Die bereits 1975 gegründete Genossenschaft zur Vergabe von Kleinstkrediten folge dem Leitsatz “dass finanzieller Ertrag Hand in Hand mit sozialen und ökologischen Zielen gehen muss.” Sie stellte die Frage, ob Nachhaltigkeit ein Feigenblatt oder Herzstück bei Anlageentscheidungen und Kreditvergabe sei, welches auch auf Kosten von Rendite gehen dürfe. Bei Oikocredit sei letzteres der Fall, was sich daran zeige, dass sich die Anteilseigener dieses Jahr demokratisch dazu entschlossen hätten, auf die für 2019 fällige Zinszahlung zu verzichten, um den Kreditnehmerinnen und Kreditnehmern im Globalen Süden einen Puffer angesichts der dramatischen Wirtschaftslage durch die Corona-Pandemie zu geben. Da etwa 90 Prozent der Klienten Frauen seien, trage Oikocredit auch zum gesellschaftlichen Empowerment von Frauen bei: durch motivierende unternehmerische Erfahrungen der Selbstwirksamkeit entwickeln diese Mut für zivilgesellschaftliches Engagement in kommunalen Parlamenten. Die dazu nötige finanzielle Grundbildung erfolge aufgrund des hohen Grades an Analphabetismus speziell über Bildsprache. Die Arbeit von Oikocredit sei oft einzige Möglichkeit, damit auch gesellschaftliche Randgruppen Zugang zu Geld als Kredit bekämen.
Die abschließende Podiumsdiskussion eröffnete die zertifizierte Trainerin für Verbraucherbildung, Maren Lohrer, die zugleich Botschafterin für das Europäische Programm für Erwachsenenbildung (EPALE) ist. Lohrer gibt Seminare zu Themen der Finanzbildung im weitesten Sinne mit einem Schwerpunkt auf Erwachsenenbildung. Bei der Herausforderung der finanziellen Bildung liege ein Problem oft bei der Rechenkompetenz. Grundfertigkeiten wie Rechnen seien der kompetenten Entscheidungsfindung beim nachhaltigen Umgang von Geld vorgelagert. Oft fehle es auch an anbieterneutralen und produktunabhängigen Informationen zu einzelnen Anlagemöglichkeiten.
Maren Lohrer stimmte Herman-Josef Tenhagen zu, dass Verbraucherbildung bereits in den Unterricht an Schulen integriert gehöre. Sie sehe das Problem, dass Schulen werbefreie Zonen sein müssten, sodass keine scheinbaren Bildungsinhalte von Versicherungen oder Banken verteilt werden dürften, die oft subtil beeinflussten. Eva Bahner pflichtete der Gefahr von Lobbyismus in den Klassenzimmern bei und Herman-Josef Tenhagen wurde leidenschaftlich: Es sei ein Unding, dass die zuständigen Kultusministerien nicht konsequent auf anbieterneutrale Finanzbildung achteten und diese nicht verlässlich förderten. So müssten andere, viel weniger ausgestattete Ministerien für Umwelt und Verbraucherschutz einspringen. Auch gebe es beim Bundesverband der Verbraucherzentralen gerade mal eine (!) Stelle, die deutschlandweit Bildungsmaterialien koordiniere und auf ihre Eignung hin prüfe.
Letztlich boten sich viele Impulse an: Am konkretesten forderte Eva Bahner von Oikocredit sowohl die Präsenz- als auch die Online-Gäste zu einer Challenge auf: “Erstellen Sie eine Kriterienliste, nach der Sie Ihr Geld anlegen möchten! Fragen Sie bei Ihrer Bank nach einer nachhaltigen Anlagemöglichkeit und den zugrundeliegenden Kriterien.” Blanca Pohl sekundierte unter Applaus, dass in unserer Gesellschaft der ehrliche Diskurs zu Geld fehle. Sie forderte eine Offenheit, über Geld zu sprechen, denn es sei ein gesamtgesellschaftliches und kulturelles Thema. Es gelte sich damit auseinandersetzen, in welchem Zusammenhang Geld in den Beziehungen eines Jeden und Jeder sowie dem Selbstwert stünde.
Und so neigte sich die Tagung zum “Grünen Kapital” am Sonntag dem Ende entgegen. Dank strenger Hygiene- und Abstandsregeln im Tagungsraum, im Restaurant sowie in den Salons konnte auch eine sichere Durchführung der Tagung erfolgen. So feierte Studienleiter Martin Waßink beispielsweise die Andachten im Sonnenaufgang auf der Seeterrasse statt in der Schlosskapelle. Das Hauswirtschaftsteam servierte hinter Plexiglasscheiben die köstlichen Mahlzeiten als Buffet. Mit Dankbarkeit für die Begegnung auch unabhängig vom Thema gingen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wieder auseinander. Hinein in eine Zeit der Ungewissheit, aber noch erfüllt von den Gesprächen und neuen Gedanken.
Martin Waßink, Studienleiter für Wirtschaft, Arbeitswelt und Nachhaltige Entwicklung
[1] https://www.bayern.landtag.de/aktuelles/aus-den-ausschuessen/wirtschaftsausschuss-anhoerung-greendeal/
Bild: Die erste Hybrid-Tagung in der Geschichte der Akademie: Während “Grünes Kapital” waren sowohl Tagungsgäste vor Ort – als auch via Computer mit der Veranstaltung verbunden. (Foto: eat archiv)