Südafrikas ungewisse Zukunft
Cyril Ramaphosa wurde bei den Präsidentschaftswahlen in Südafrika am 8. Mai in seinem Amt bestätigt. Für viele gilt er als Hoffnungsträger. Doch er steht vor einer Herkulesaufgabe. Ramaphosa täte gut daran, sich mit den Kräften der Zivilgesellschaft zu verbünden, insbesondere mit den Kirchen. Ein Kommentar von Udo Hahn.
„Wir werden eine Gesellschaft errichten, in der alle Südafrikaner, Schwarze und Weiße, aufrecht gehen können, ohne Angst in ihren Herzen, in der Gewissheit ihres unveräußerlichen Rechtes der Menschenwürde, eine ,Regenbogennation‘ im Frieden mit sich selbst und mit der ganzen Welt.“ Nelson Mandela, der erste schwarze Präsident Südafrikas, formulierte diese Vision in seiner Antrittsrede im Mai 1994. 25 Jahre nach dem Ende der Apartheid stagniert jedoch die Entwicklung. Sieht man genauer hin, dann klingt diese Beschreibung wie Schönfärberei – wie das Bild von der Regenbogennation. Die Lage ist dramatisch: Misswirtschaft, Korruption, Rekordarbeitslosigkeit und anhaltende Armut prägen die Realität.
Die einstige Befreiungsbewegung African National Congress (ANC) hatte „Ein besseres Leben für alle“ versprochen. Ein besseres Leben führt heute nur eine korrupte Elite des ANC. Schuld daran ist vor allem Jacob Zuma, Präsident Südafrikas von 2009 bis Mitte Februar 2018. Er hatte das System der Vetternwirtschaft hemmungslos ausgebaut und kam mit seinem Rücktritt seiner Absetzung gerade noch zuvor.
Seither führt Cyril Ramaphosa die Geschicke des am meisten entwickelten Landes auf dem afrikanischen Kontinent. Jetzt wurde er im Amt bestätigt. Dass er als Sieger aus den Präsidentschaftswahlen am 8. Mai hervorgehen würde, war zu erwarten. Seit einem Vierteljahrhundert ist stets der ANC der Gewinner. Nur in der Provinz Westkap sowie in den Metropolen Pretoria, Johannesburg und Kapstadt regiert die größte Oppositionspartei Democratic Alliance (DA). Große Teile der schwarzen Bevölkerung stehen nach wie vor zum ANC. Zuma und seine Getreuen haben sich den Staat zur Beute gemacht, ihn systematisch unterwandert. Die Chancen auf eine positive Entwicklung stehen auch deshalb schlechter denn je.
Die britische Wochenzeitschrift Economist hat vor wenigen Tagen Cyril Ramaphosa zur „besten Chance Südafrikas“ erklärt. Vielen gilt er als Hoffnungsträger. Er ist Jurist, war Gewerkschaftsführer und ein erfolgreicher Unternehmer. Nelson Mandela sah ihn als seinen Nachfolger. Es kam jedoch anders. Ramaphosa gilt als integer. Manchen erinnert er an Mandela, gerade dann, wenn er der Versöhnung das Wort redet.
Der Sieg über die Apartheid ist auch dem Einsatz der Kirchen zu verdanken
Ramaphosa muss, wenn er Erfolg haben will, geradezu eine Herkulesaufgabe bewältigen und die Korruption zuallererst in der eigenen Partei bekämpfen. Und es zugleich mit dem Netz der Vetternwirtschaft im ganzen Land aufnehmen. Es ist offen, ob er dauerhaft genug Rückhalt in den eigenen Reihen hat.
Die Zivilgesellschaft ist in Südafrika noch eine junge Pflanze. Ramaphosa täte gut daran, sich mit diesen Kräften zu verbünden, insbesondere mit den Kirchen. Ihr unermüdlicher Einsatz hat mit zum Ende der Apartheid geführt. Und dazu, dass sich der Wandel praktisch unblutig vollzog. Herausragend die Arbeit des anglikanischen Erzbischofs von Kapstadt, Desmond Tutu, als Vorsitzender der Wahrheits- und Versöhnungskommission. Die Verbrechen der Apartheid wurden kaum gesühnt. Und manche Themen schlicht ausgeklammert, etwa die Notwendigkeit einer Landreform. Sie könnte zur Schlüsselfrage für die künftige Entwicklung werden – insbesondere, ob es gelingt, den inneren Frieden zu wahren und vielen Millionen armen Schwarzen eine echte Chance auf Teilhabe zu bieten.
Unter Jacob Zuma waren die Kirchen und Nichtregierungsorganisationen massiv benachteiligt worden. Der Staat strich ihnen die Mittel für die so notwendigen Hilfsprogramme u.a. gegen Aids. Den Schaden hatte die Zivilbevölkerung. Thabo Makgoba, seit 2007 Primas der anglikanischen Kirche im Südlichen Afrika und Erzbischof von Kapstadt, hat ausländische Regierungen immer wieder gebeten, ihre Hilfen für Südafrika an die Bedingung zu knüpfen, dass diese auch den Nichtregierungsorganisationen zugutekommen. Schließlich verfügen vor allem die Kirchen über ein Netzwerk, das bis in jedes Dorf reicht. Seine Rufe verhallten bislang jedoch ungehört – auch bei der deutschen Bundesregierung.
Bleibt zu hoffen, dass nach den Präsidentschaftswahlen Cyril Ramaphosa die Zusammenarbeit auch mit der Zivilgesellschaft sucht. Für die Entwicklung des Landes wäre es ein Segen.
Der Autor ist Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing.
Vorliegender Text von Udo Hahn ist zugleich Hörbeitrag für die Sendung „Zum Sonntag“ von Bayern2. Sendetermin: 11. Mai 2019 / 17.55 Uhr. Unter diesem Link geht es zur Homepage der Sendung.
Bild: Udo Hahn (Foto: dgr eat/archiv)