Stadt, Verantwortung und zuhören lernen
Drei Persönlichkeiten, die entweder seit kurzem oder seit langem die Stadt Augsburg mitprägen, waren gestern der Einladung der Evangelischen Akademie Tutzing, ihrem Freundeskreis sowie dem örtlichen Freundeskreis Augsburg und dem Evangelischen Forum Annahof gefolgt, um „Über Gott und die Welt“ zu reden. Großes Thema des Abends: ihre Stadt.
Sina Trinkwalder, Augsburger Unternehmerin und Querdenkerin, der Augsburger Oberbürgermeister Kurt Gribl und der „Neue“ in der Stadt: Axel Piper, Regionalbischof für den Kirchenkreis Augsburg, hätten auch noch länger als über einen Abend hinweg über das Zeitgeschehen debattieren können. Ihre Stadt, ihre Region und die Verantwortung dafür – das waren die Themen, die die Podiumsdiskussion im Hotel am Alten Park prägten.
Judith Stumptner, stellvertretende Direktorin und Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Tutzing, eröffnete als Moderatorin des Abends die Podiumsdiskussion mit dem Umzug Pipers und seiner neuen Aufgabe. Stumptner vertrat Akademiedirektor Udo Hahn, der krankheitsbedingt verhindert war.
Piper, der zuvor das Dekanat Weilheim leitete und auch als Rundfunkprediger bekannt ist, wohnt seit wenigen Wochen in Augsburg — und findet die Augsburger „im Gegenteil zu dem, was in manchen Leserbriefen an die SZ behauptet wird“ sehr nett: „Wer die Augsburger nicht nett findet, soll mal einen grantigen Oberbayern kennenlernen.“ Mit Statements wie diesen kann Piper bei der Augsburger Bevölkerung punkten. Schnell wird klar: Piper weiß, wie er das Publikum für sich und seine Sache begeistert. Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm habe den Neu-Augsburger einmal als „lebensnahen Prediger“ bezeichnet, sagt Judith Stumptner und will wissen, was man darunter verstehen dürfe. „Ich muss den Menschen erklären, was die Inhalte bedeuten. Gnade — das ist so ein schönes Wort. Aber was bedeutet das eigentlich für mich?“ Piper sieht sich als einen, der auf der Kanzel die kirchliche Botschaft mit konkreten Geschichten aus dem Leben verknüpft.
Geschichten könnte Sina Trinkwalder viele erzählen. Etwa davon, warum sie ihren gut bezahlten Job aufgegeben hat, wie sie ihr Unternehmen gegründet hat, weshalb sie Menschen einstellt, die sonst auf dem Arbeitsmarkt kaum eine Chance hätten. Sie tut das auch an diesem Abend, aber man merkt: Sie könnte viel länger, viel ausschweifender erzählen. Sie, die nach eigenen Worten ein „Scheiß-Abitur“ geschrieben hat, zwei Studiengänge abgebrochen hat, trotzdem eine Werbeagentur gründete, viel Geld verdiente und doch nicht zufrieden war. „Irgendwann habe ich gemerkt: Das kann’s nicht sein“, erzählt die Unternehmerin und wendet sich dann an Piper: „Geld ist die neue Religion. Das ist auch ein Grund, weshalb eure Religion ein Problem hat: Ihr habt zu wenig Geld.“ Trinkwalder ist bekannt dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Noch bekannter geworden ist sie als Gründerin des Unternehmens „manomama“, einer, so heißt es auf der Website, „nachvollziehbaren, in der Region wertgeschöpften Produktion unter den strengsten ökologischen Maßgaben“.
Die Region: Nicht nur für Sina Trinkwalder an diesem Abend ein Punkt. „Alle dreschen auf die Fuggerstadt ein“, sagt die Unternehmerin. Und auch Augsburgs Oberbürgermeister sieht in diesem Problem teilweise seine Motivation, weshalb er einst in die Politik gegangen ist: „Augsburg wurde in allen Punkten immer schlechtgeredet.“ Irgendwann habe ihn das „angekäst.“ Ob Fuggerstadt oder kleines Dorf: Entscheidend sei, was in den Kommunen passiere, da ist sich Gribl sicher: „Bund und Länder können zwar Rahmenbedingungen schaffen — aber die Probleme lassen sich nur in den Kommunen lösen.“
Probleme wie die Flüchtlingskrise — während der es laut Gribl Phasen gab, in denen er einen roten Kopf bekam: „Wenn Leute kamen und sagten: Ihr müsst aber dies, ihr müsst aber das.“ Möglich, dass der CSU-Politiker damit auch andere Parteien meinte. Konkret wurde er in diesem Punkt nicht – diesen Part übernahm Trinkwalder. Über die Grünen sagte die Unternehmerin, die auch für Themen wie Umweltfreundlichkeit und Klimaschutz steht: „Ja, ich muss auch mal über die Überheblichkeit der bayerischen Grünen lästern.“ Klimaschutz predigen und dann nach Kalifornien fliegen — das ginge eben nicht.
Während Trinkwalder und Gribl noch darüber diskutierten, wer wem nicht den Finger vorhalten solle, sagte Piper: „Besserwisserei ist kein christlicher Umgang.“ Christlicher Umgang, das hieße auch, auf den Nächsten zu achten. „Beim Impfen“, nennt Sina Trinkwalder ein Beispiel. Begegnungen mit den Nächsten, auch das gehöre dazu. Die habe Gribl in Augsburg überall — selbst dann, wenn er einfach nur an der Tramhaltestelle wartete. Menschen würden ihn auf alle möglichen Dinge ansprechen. Wie wichtig etwa die lokale Wirtschaft sei, wünscht sich Judith Stumptner eine Einschätzung: „Sehr wichtig!“, kommt prompt die Antwort des Oberbürgermeisters. „Es geht um das Auskommen, damit die Menschen keine Existenzängste haben, in Freiheit leben können. Die Wirtschaft ist die Grundlage für den sozialen Frieden.“
Lebhaft und friedlich ging es bei dieser Podiumsdiskussion zu, es sei eine „wertschätzende Diskussion“ wie Axel Piper sie sich öfter in der Gesellschaft wünscht. „Wir verurteilen in diesen Zeiten viel schneller — dabei müssen wir zuhören lernen.“ Manchmal habe auch der Gegner Recht. Ein Punkt, an dem sich alle einig sind. Piper fasste es in knappe Worte: „Keiner hat die Wahrheit gepachtet.“
Leonie Küthmann
Mehr über die Aktivitäten des Freundeskreises der Evangelischen Akademie Tutzing erfahren Sie auf der Website des Freundeskreises.
Foto: Die Diskussionsrunde im Hotel am Alten Park in Augsburg: Oberbürgermeister Kurt Gribl, Unternehmerin Sina Trinkwalder und Axel Piper, der neue Regionalbischof für den Kirchenkreis Augsburg. (Foto: Holzmann/eat archiv)