Rechtsextremes Gedankengut ist mit dem Glauben unvereinbar

14,6 Prozent für die AfD – die Landtagswahlen in Bayern und Hessen zeigen: Die Mitte der Gesellschaft rückt nach rechts. Kann es auch in den Kirchen zu einem Rechtsruck kommen? “Schon möglich”, meint Akademiedirektor Udo Hahn in seinem Gastkommentar für die Bayern 2-Sendung “Zum Sonntag”.

Sendetermin: Samstag, 21. Oktober 2023 um 17.55 Uhr auf Radio Bayern 2

Von Udo Hahn

14,6 – eine Zahl, die mir gerade viel Kopfzerbrechen bereitet – mir und wohl auch vielen anderen Christen in Deutschland. 14,6 Prozent der Stimmen hat die AfD bei den Landtagswahlen in Bayern geholt. Sie ist jetzt drittstärkste Kraft im Freistaat. Die Mitte der Gesellschaft rutscht nach rechts. Was aber heißt das eigentlich für die Kirchen?

Christian Kopp, der künftige bayerische Landesbischof, hat schon auf einer Kundgebung im März 2020 klar gemacht: „Wer auf Grund- und Menschenrechte pfeift, wer den Respekt und die Wertschätzung vor jedem Leben in Frage stellt, darf nicht gewählt werden in einer Demokratie.“ Mit entschiedenen Worten hatte er als Münchner Regionalbischof dazu aufgerufen, die AfD nicht zu unterstützen.

So positioniert sich aktuell auch die katholische Kirche. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, erklärte vor wenigen Wochen, Menschen müssten gegen die AfD aufstehen. Ein Zeichen für ein demokratisches, europäisches und weltoffenes Deutschland sei nötig.

Im nächsten Jahr stehen in den evangelischen Gemeinden Kirchenvorstandswahlen an – und im Weiteren dann die Wahlen zu den Landessynoden sowie zur Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland. Kommt dann auch in den Kirchen ein Rechtsruck? Schon möglich. Diese Gefahr dürfte den Oldenburger Bischof Thomas Adomeit bewogen haben, bereits jetzt zu warnen: dass Menschen mit einer extremistischen Haltung nicht in die Kirchenvorstände gewählt werden dürfen. Und Bischof Bätzing hält fest: Eine Mitgliedschaft in der AfD ist unvereinbar mit einem kirchlichen Amt. Die Kirchen sind sich da einig.

Um es deutlich zu sagen: Rechtsextremismus leugnet und verletzt alle wesentlichen Grundsätze, die das Christentum ausmachen: die Gleichheit aller Menschen als Geschöpfe Gottes, ihre Gottebenbildlichkeit, die biblische Ethik der Einfühlung gegenüber Bedürftigen und vieles mehr. Rechtsextremes Gedankengut ist mit dem Glauben unvereinbar.

Die Inanspruchnahme der christlichen Religion durch Rechtspopulisten ist indes diffus. Sie ist im Kern nicht religiöser, sondern politischer Art, wenn es etwa um die Einheit der Nation, die Gemeinschaft des Volkes oder die Beschwörung eigener kultureller Größe geht. Religion bleibt ein inhaltsleerer Identitätsbegriff. Es geht gar nicht um Frömmigkeit – und schon gar nicht um Verantwortung aus einem an der Bibel orientierten Glauben. Vor diesem Hintergrund muss man klar sagen: Ein Christentum, das der nationalen Identitätsstabilisierung dienen soll, wird missbraucht. Es wird seiner universalen, Länder, Völker und Nationen überschreitenden Perspektive beraubt.

Hier zumindest ist die rote Linie eindeutig. Und die Kirchen tun gut daran, sie zu ziehen. Der christliche Glaube macht eben nicht automatisch immun gegenüber rechtsradikalen Botschaften. Beispiele in der Geschichte gibt es genug. Der Glaube kann eine Ressource der Widerstandskraft gegenüber intoleranten, abgrenzenden Haltungen darstellen. Aber wo er mit religiösen Absolutheitsansprüchen anderen Religionen gegenüber verbunden ist, kann dies auch zu intoleranten Haltungen führen.

Dass es nicht so weit kommt, dazu müssen die Kirchen einen Beitrag leisten. Schließlich sind ihre Mitglieder auch Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Und tragen so Verantwortung für unser Gemeinwesen. Übrigens: Die klare Abgrenzung der Kirchen spielt Rechtsradikalen durchaus in die Hände, die sich – so ihre Masche – dann wieder einmal als Opfer einer angeblich unfreien Gesellschaft stilisieren können. Dies darf die Kirchen aber nicht daran hindern, Menschenfeindlichkeit entschieden anzuprangern und in die Auseinandersetzung zu gehen.

Der Autor ist Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing.

Hinweis:

Vorliegender Text ist als Gastkommentar für die Sendung “Zum Sonntag” von Radio Bayern 2 erschienen.

Sendetermin: 21. Oktober 2023 / 17.55 Uhr. Unter diesem Link können Sie die Sendung nachhören.

Bild: Pfr. Udo Hahn, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing (Foto: Haist/eat archiv)