Prediger der Versöhnung – Zum 100. Geburtstag von Nelson Mandela
von Udo Hahn
Wer von Nelson Mandela spricht, gerät unweigerlich ins Schwärmen: „Letzter großer Befreier des 20. Jahrhunderts“, „Gigant der Geschichte“ – so hat ihn der frühere US-Präsident Barack Obama gewürdigt, als er 2013 starb. Nur der Superlativ scheint angemessen, das Wirken dieser Persönlichkeit zu charakterisieren, die vor einhundert Jahren, am 18. Juli 1918, geboren wurde.
Nelson Mandela hat in vielerlei Hinsicht Geschichte geschrieben. Er und Oliver Tambo waren die ersten Schwarzen, die eine Rechtsanwaltskanzlei in Südafrika eröffneten. 27 Jahre lang saß Mandela im Gefängnis – und war das Gesicht der Anti-Apartheidbewegung. 1993 erhielt er zusammen mit Frederik Willem de Klerk, dem damaligen Staatspräsidenten, den Friedensnobelpreis. Ein Jahr später wurde er der erste schwarze Präsident seines Landes.
Der Traum von der „Regenbogennation“
Zwei Zitate geben Einblick in sein Denken. 1964 hatte er vor Gericht erklärt: „Ich hoffe auf eine demokratische und freie Gesellschaft, in der alle Menschen in Gleichheit und Harmonie zusammenleben können.“ In formaler Hinsicht hat sich diese Hoffnung erfüllt – Südafrika hat im weltweiten Maßstab eine der besten Verfassungen. Zugleich bleibt die soziale Ungleichheit die größte Gefährdung.
In seiner Antrittsrede als Präsident im Mai 1994 prägte Nelson Mandela das Bild der Regenbogennation, das bis heute fasziniert: „Wir werden eine Gesellschaft errichten, in der alle Südafrikaner, Schwarze und Weiße, aufrecht gehen können, ohne Angst in ihren Herzen, in der Gewissheit ihres unveräußerlichen Rechtes der Menschenwürde, eine ,Regenbogennation‘ im Frieden mit sich selbst und mit der ganzen Welt.“
So sehr Mandela in Südafrika nach wie vor als Übervater verehrt wird, so wächst zugleich die Kritik, ob es seinerzeit richtig war, sich auf seinen Kurs der Versöhnung einzulassen. Im Rückblick kommt es durchaus einem Wunder gleich, dass der Übergang von der Apartheid zur Demokratie vergleichsweise friedlich verlief und nicht in einen Bürgerkrieg mündete. Dass es Nelson Mandela gelang, die militanten Kräfte innerhalb des ANC, der schwarzen Widerstandsbewegung und nach wie vor stärksten Partei des Landes, zu bremsen, darf als sein vielleicht größtes Verdienst angesehen werden.
Keiner seiner Nachfolger konnte auch nur annähernd an ihn anknüpfen. Das gilt für Thabo Mbeki, Kgalema Motlanthe und ganz besonders für Jacob Zuma, der im Februar zurücktrat und nach zahllosen Korruptionsvorwürfen seiner Absetzung so zuvorkam. Seither lenkt der Jurist, Gewerkschaftsführer und Unternehmer Cyrill Ramaphosa die Geschicke des Landes. Seine Aktivitäten werden mit vielen Vorschusslorbeeren bedacht. Wohl auch deshalb sind die Erwartungen an ihn so hoch, weil er 1999, als Mandela abtrat, von ihm selbst als Nachfolger gewünscht worden war. Ramaphosa spricht auffällig oft von Versöhnung – und knüpft so an Nelson Mandela an. Ob die Bevölkerung Südafrikas ihm vertraut, wird sich im nächsten Jahr bei den Präsidentschaftswahlen zeigen. Dann blickt das Land auch auf 25 Jahre Demokratie zurück.
Hinweis: Vom 13.-15 Februar 2019 veranstaltet die Evangelische Akademie Tutzing eine Tagung unter dem Thema „25 Jahre Demokratie in Südafrika“. Dabei geht es u.a. um diese Fragen: Wohin steuert Südafrika im Jahr der Präsidentschaftswahlen? Welche Rolle spielt Religion für das Land? Was ist der Beitrag der Zivilgesellschaft 25 Jahre nach dem Ende der Apartheid?
Programmbestellung hier
Der Autor, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing, besucht Südafrika seit 1993 regelmäßig. Seit 2011 ist die Akademie durch einen Partnerschaftsvertrag mit dem Institute für Theological & Interdisciplinary Research der Ecumenical Foundation of Southern Africa (EFSA) verbunden.
Bildquelle: Pixabay / Creative Commons CC0