Politik und Medien zur Selbstdisziplin aufgerufen
Nürnbergs Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly glaubt an ein Zustandekommen einer weiteren großen Koalition in Berlin. Neuwahlen wären eine Niederlage für die deutsche Politik, sagte der SPD-Politiker im BR Studio Franken im Gespräch mit Udo Hahn, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing. Unter dem Titel „Über Gott und die Welt – Kommentare zum Zeitgeschehen in Politik, Gesellschaft und Kultur“ hatte die Akademie gemeinsam mit ihrem Freundeskreis unter der Leitung von Brigitte Grande M.A. am 29. Januar nach Nürnberg eingeladen. Neben Maly waren Regionalbischof Prof. Dr. Stefan Ark Nitsche und BR-Studioleiterin Dr. Kathrin Degmair weitere Podiumsteilnehmer.
Ulrich Maly, der als Mitglied der Arbeitsgruppe Wohnungspolitik an den Koalitionsgesprächen in Berlin beteiligt ist, geht davon aus, dass den Verhandlern von CDU, CSU und SPD es gelingen wird, erneut eine Große Koalition zu bilden. Neuwahlen hingegen würden die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung weiter schüren, so Maly. Der Oberbürgermeister wörtlich: „Ich glaube schon, dass man auf der Basis der Sondierungsergebnisse einen Koalitionsvertrag zusammenkriegen kann, für den sich die Sozis nicht schämen müssen. Es wäre für alle in der deutschen Politik Aktiven eine Granaten-Niederlage, wenn man den Menschen den Auftrag zurückgibt und sagt, ‘Ihr habt so gewählt, wie es uns nicht gefällt, jetzt wählt ihr nochmal’. Es wäre kein Beitrag zur Problemlösung, weil warum sollten die Menschen groß anders wählen als sie es im September gemacht haben?“
Maly warf Medien und Politik vor, die sozialen Netzwerke zu wichtig zu nehmen. „Netzbewegungen für empirisch relevant zu halten, obwohl sie es nicht sind“, lautetet seine Kritik. Er riet Medienmachern und Politikern, sich selbst zu disziplinieren und nicht flüchtigen Stimmungen nachzulaufen. Sie hätten so beispielsweise auf dem Höhepunkt der Flüchtlingsankünfte „ein vorhandenes Problem größer gemacht“. Er selbst habe ab Mitte 2016 versucht, ein halbes Jahr lang nicht mehr über das Thema Flüchtlinge zu sprechen.
Unter den Gästen waren auch der ehemalige Bayerische Ministerpräsident Dr. Günther Beckstein (CSU) sowie die frühere Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD). Sie warnte davor, bei den Koalitionsverhandlungen die Flüchtlingspolitik zu sehr in den Mittelpunkt zu stellen. Bei den Menschen könne sonst der Eindruck entstehen, es gehe nur um dieses Thema. „Da muss sich die Politik noch ganz schön an der Kandare reißen“, so Schmidt.
In dem Podiumsgespräch ging es um die Frage, wie möglichst allen Menschen im Land gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht werden kann. Die Leiterin des Studio Franken, Dr. Kathrin Degmair, misst in dem Zusammenhang dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine wichtige Bedeutung bei. Er bilde eine Klammer über der Gesellschaft und berichte unabhängig, staatsfern und objektiv. Doch das gehe nicht ohne genügend Geld. „Damit wir unseren Auftrag erfüllen können, ist eine angemessene Finanzierung notwendig“, sagte Degmair. Die Studioleiterin verwies darauf, dass der Rundfunkbeitrag seit 2009 nicht mehr angehoben und 2015 sogar gesenkt worden sei. Jetzt sei die Politik am Zug, so Degmair.
Der Regionalbischof von Nürnberg, Stefan Ark Nitsche, beklagte in dem Zusammenhang eine zunehmende Verrohung der Gesellschaft. Die Hemmschwelle, den anderen zu verletzen, sei deutlich gesunken. Nitsche mehr Respekt im Umgang mit anderen an: Respekt voreinander und vor dem, was dem anderen heilig ist.
Quellen: Stanislaus Kossakowski, epd
Hier einige Impressionen aus der Veranstaltung.
Gespräch im Studio Franken des Bayerischen Rundfunks in Nürnberg.
Grenzgänger zwischen Kultur und Kirche: Regisseur und Regionalbischof Prof. Dr. Stefan Ark Nitsche.
Geschätzter Kooperationspartner: der Freundeskreis der Evangelischen Akademie Tutzing – (v.r.n.l.) die Vorsitzende Brigitte Grande M.A., Klaus Gollner (Freundeskreis Bayreuth), Daniela Laußer (Geschäftsführerin) und Dr. Bernd Matthes (Freundeskreis Kulmbach).
Brigitte Grande M.A. begrüßte im Namen des Freundeskreises der Evangelischen Akademie Tutzing die Gäste im BR-Studio.
Moderator und Gesprächspartner: Akademiedirektor Udo Hahn, Regionalbischof Prof. Dr. Stefan Ark Nitsche, BR-Studioleiterin Dr. Kathrin Degmair, Nürnbergs Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly und Brigitte Grande M.A., Vorsitzende des Freundeskreises (v.l.n.r.).
Gern gesehener Gast: Ministerpräsident a. D. Dr. Günther Beckstein (m.), langjähriger Leiter des Politischen Clubs der Evangelischen Akademie Tutzing – mit Akademiedirekor Udo Hahn und Brigitte Grande M.A., Vorsitzende des Freundeskreises.