Mitverantwortliches Leben stärken
Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing über „sorgende Gesellschaft“
Der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Prof. Dr. Andreas Kruse (Heidelberg), hat die Kirchen ermutigt, zentrale Glaubensaussagen, in denen Selbst- und Mitverantwortung zum Ausdruck kommen, im öffentlichen Raum stärker zu betonen. Dies gelte z. B. für die neutestamentliche Aufforderung „einer trage des anderen Last“ (Galater 6,2). Das christliche Menschenbild und die sich daraus ableitende Ethik seien für die gesellschaftliche Meinungsbildung unverzichtbar, sagte Kruse auf einer Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing, die in Kooperation mit der Diakonie Bayern stattfand. Diese stand vom 9. bis 11. Januar unter dem Thema „Leben & Sterben wo ich wohne – Sozialraumorientierung, Nachbarschaft und Quartiersentwicklung als Voraussetzung für eine sorgende Gesellschaft“. Kruse kritisierte Entwicklungen, die einseitig den Autonomie-Gedanken stärkten. Vielmehr komme es darauf an, „mitverantwortliches Leben“ zu stärken. Wem Mitmenschen gleichgültig seien, der tue sich schwer, mit eigenen Krisen produktiv umzugehen, so der Direktor des Instituts für Gerontologie an der Universität Heidelberg. Soziale Netzwerke seien in Krisenzeiten und an Wendpunkten des Lebens gerade im hohen Alter von besonderer Bedeutung.
Für eine „Kümmerkultur“ hat sich auch der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie (Berlin), stark gemacht und für eine bessere Vernetzung professioneller Hilfe und zivilgesellschaftlichem Engagement plädiert. Die Stärkung nachbarschaftlicher Unterstützung – so genannter Caring Communities – habe aber auch ihre Grenzen. Die professionelle Unterstützung sei unverzichtbar. Ehrenamtliche Selbsthilfe brauche ein fachliches Rückgrat. Lilie sprach in Tutzing von der Weiterentwicklung des Wohlfahrtstaates, die ein besseres Zusammenspiel von Staat, Kirchengemeinden und Vereinen zum Ziel haben müsse. Statt einzelne Säulen zu stärken, sei Sektoren übergreifendes Denken und Handeln gefragt.