Mit aller Kraft für den friedlichen Wandel

Er hat den Begriff “Regenbogennation” geprägt – eigentlich hat er vom “Regenbogenvolk Gottes” gesprochen – und die vielleicht stärkste Vision für ein friedliches Zusammenleben unterschiedlicher Hautfarben in Südafrika formuliert. Wenige Wochen nach seinem 90. Geburtstag ist jetzt der Friedensnobelpreisträger und Anti-Apartheid-Kämpfer Desmond Tutu gestorben. Als Erzbischof von Kapstadt war er der erste Schwarze an der Spitze der anglikanischen Kirche in Südafrika.

“Sein bleibendes Vermächtnis sehe ich darin, dass er keine Situation für unveränderbar hielt”, würdigt Akademiedirektor Udo Hahn den Theologen. Diese Haltung habe ihn angetrieben, sich mit aller Kraft für den friedlichen Wandel am Kap einzusetzen und bis zu seinem Tod Missstände wie Gewalt, Korruption, Rassismus und Ungleichheit anzuprangern.  Hier können Sie noch einmal den Text nachlesen, den Udo Hahn anlässlich des 90. Geburtstags von Desmond Tutu am 7. Oktober 2021 verfasste und in dem er an seine Begegnung mit Tutu im Jahr 2016 erinnerte:

Er ist fröhlich und hartnäckig, ein Energiebündel – und in der Begegnung mit Menschen strahlen seine Augen. So habe ich Desmond Tutu, anglikanischer Geistlicher und Friedensnobelpreisträger, erlebt, als er 2016 in Kapstadt mit dem “Tutzinger Löwen” der Evangelischen Akademie Tutzing ausgezeichnet und als “Wegbereiter des friedlichen Wandels in Südafrika, als Stimme der Hoffnung” gewürdigt wurde. International sehen viele sein Wirken vom Geist des in der NS-Diktatur ermordeten Theologen Dietrich Bonhoeffer geprägt. Am 7. Oktober wird Tutu neunzig Jahre alt.

Bis heute ist Desmond Tutu das Gewissen Südafrikas. Wie zu Zeiten der Apartheid mischt er sich weiter ein. Zuletzt wetterte er einmal mehr gegen die Korruption im Land, die von der Regierung nach wie vor nicht entschieden bekämpft wird, so sein Vorwurf. Gerechtigkeit ist sein Lebensthema, sein Einsatz für Versöhnung lässt ihn nicht ruhen. Der Grund: Versöhnung muss immer wieder gesucht werden. Denn in Politik und Gesellschaft, wie auch im Privaten gilt, was Tutu so formuliert hat: “Ohne Vergebung kann es keine Zukunft in der Beziehung zwischen Individuen oder zwischen Nationen geben.”

Geboren wurde Desmond Mpilo Tutu 1931 in der kleinen Goldgräber-Stadt Klerksdorp im Transvaal. Sein Vater war Lehrer, seine Mutter Hausangestellte. Er wurde selbst Lehrer, gab den Beruf aber nach drei Jahren auf, weil die Apartheid-Regierung den “Bantu Education Act” verabschiedet hatte, der die Rassentrennung in allen Bildungseinrichtungen vorschrieb. Tutu studierte Theologie und wurde 1960 als Geistlicher der anglikanischen Kirche ordiniert.

Er studierte und lehrte in Großbritannien und Südafrika. 1975 wurde er in Johannesburg zum ersten schwarzen Dekan berufen, drei Jahre später zum Generalsekretär des südafrikanischen Kirchenrates gewählt. In dieser Zeit, als es in den Townships, den Schwarzenvierteln, zu Aufständen kam, wurde Tutu zum Vorkämpfer der Anti-Apartheid-Bewegung – auch wenn er stets betonte, keine politischen, sondern religiöse Motive zu verfolgen. 1986 wurde Tutu Erzbischof von Kapstadt und damit der erste Schwarze an der Spitze der anglikanischen Kirche in Südafrika. 1996 schied er aus dem Amt. Die Bezeichnung Südafrikas als “Regenbogennation” geht auf ihn zurück.

Neben Nelson Mandela (1918-2013), dem ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas, ist Tutu der wohl berühmteste Kämpfer gegen die Apartheid. Er lief bei Protestmärschen vorne mit, machte im Ausland auf die Menschenrechtsverletzungen in seinem Heimatland aufmerksam und wurde dafür von der Apartheid-Regierung drangsaliert. Für seinen unermüdlichen Einsatz erhielt er 1984 den Friedensnobelpreis. Nach dem Ende der Apartheid 1995 ernannte ihn Präsident Mandela zum Vorsitzenden der Wahrheits- und Versöhnungskommission, die Verbrechen der Apartheid aufarbeitete.

In seiner Laudatio anlässlich der Verleihung des “Tutzinger Löwen” würdigte der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Heinrich Bedford-Strohm, Tutu als “Vorbild schon seit Jugendtagen”. Er sei für ihn “ein authentischer Prediger des Evangeliums in Wort und Tat”. Mit seinem unerschrockenen Eintreten für Gerechtigkeit und Versöhnung habe er “maßgeblich zum friedlichen Übergang vom Apartheid-Regime zum neuen demokratischen Südafrika beigetragen”. Auch im demokratischen Südafrika stehe Tutu für eine öffentliche Kirche, die sich nicht scheue, gegenüber den Mächtigen Fehlentwicklungen wie etwa Korruption klar beim Namen zu nennen. “Was mich an Desmond Tutu auch immer angezogen hat, war seine authentische Menschlichkeit”, so Bedford-Strohm. “Er kann tanzen und damit seine große Lebensfreude zum Ausdruck bringen. Er kann sichtbar trauern und damit seine Empathie denen zeigen, die von schwerem menschlichem Leid betroffen sind.” Desmond Tutu sei “in seiner tief im christlichen Glauben gegründeten Menschenliebe und Leidenschaft für Gerechtigkeit einer der wirklich Großen in unserer Welt”.

Desmond Tutu war mehrfach in der Evangelischen Akademie Tutzing zu Gast, die eine Partnerschaft mit der EFSA Academy Blaauwklippen Stellenbosch/Südafrika unterhält. Ihr Leiter, Dr. Renier Koegelenberg, ist Gründer und Geschäftsführender Direktor des EFSA-Instituts für theologische und interdisziplinäre Forschung in Stellenbosch/Südafrika, einem Netzwerk von Universitäten und Kirchen.

Udo Hahn

Der Autor ist Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing.

Unter Verwendung von Material des Evangelischen Pressedienstes (epd).

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Bild: 2004 kam Desmond Tutu an die Evangelische Akademie Tutzing, um zur Toleranzpreisverleihung an Henning Mankell die Laudatio zu halten.  (Foto: Jean Pool)

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