Lachen über das, was weh tut
Kurz nachdem sich der Politische Club der Evangelischen Akademie Tutzing dem Thema Mauerfall gewidmet hat, hat unser Format „Die Anstalt – Politische Satire im Schloss“ sich einem Folgethema des Mauerfalls angenommen: der Arbeit der Treuhand im Zuge der deutschen Einheit. Kabarettist Max Uthoff und Autor Dietrich Krauß erzählten, warum sie für eine kritischere Version der Geschichtsschreibung plädieren.
Kenner der ZDF-Kabarettsendung „Die Anstalt“ wissen: Hier handelt es sich um Politsatire, die in die Tiefe geht. Menschen mit albernen Perücken und überzeichneten Charakteren stehen auf der Bühne und berichten detailliert Fakten zu einem Thema, die die Absurditäten realer Politik und Zeitgeschichte verdeutlichen. Hofnarrentum im 21. Jahrhundert.
Das Schicksal des Hofnarren war: Er wurde in der Geschichtsschreibung nur selten gehört. Ähnlich fühlen sich auch die Macher der „Anstalt“. Im Gespräch mit Akademiedirektor Udo Hahn berichteten der Kabarettist Max Uthoff und Autor Dietrich Krauß am Dienstag davon, dass ihre Sendung in den Medien so gut wie gar nicht besprochen wird, während Polit-Talkshows am Tag nach der Ausstrahlung eins zu eins nacherzählt würden. „Wir sind seit fünf Jahren die unbesprochenste Sendung des Landes“, sagte Max Uthoff. Warum das so ist, können beide sich nicht erklären, nur darüber spekulieren: Man passe nicht in gängige Narrative, man sei eben zu detailversessen und biete dadurch höhere Einstiegshürden – und außerdem hätte man zugegebenermaßen ein Faible für eher drögere Themen. Dennoch: Dass sie Themen bündeln und dann mit Pointen versehen, sei genau das, was ihnen Kraft verleihe, sagte Uthoff.
Wie auch beim Thema Treuhand-Anstalt. Für Uthoff und Krauß bietet das Kapitel der deutschen Einheitsgeschichte, in der es um die Abwicklung der früheren Ost-Betriebe geht, reichlich Stoff für eine kritische Rückschau.
„In Wahrheit waren fünf Jahre Aufbau Ost das größte Bereicherungsprogramm für Westdeutsche, das es je gegeben hat“, wird Henning Voscherau, damals regierender Oberbürgermeister von Hamburg am 4. Dezember 1996 in der „Welt“ zitiert. Was er meinte, war etwa, dass westdeutschen Unternehmen im Einigungsboom 300 Milliarden Mark verdienten und die Privatvermögen im Westen wie nie zuvor explodierten. Und genau das arbeitete die Folge der „Anstalt“ (Erstausstrahlung 5. November) heraus, die in Tutzing gezeigt wurde: Die DDR-Betriebe als Ware, die verschachert wird und für die bis heute kaum nachvollziehbar festgesetzte Schulden abbezahlt werden müssen.
Kabarett-Autor Krauß: „Durch die Wahl Helmut Kohls und die Arbeit der Treuhand kam das Eigentum der DDR-Betriebe in die Hände der Westdeutschen.“ Er wundere sich bis heute darüber, wie lange es dauerte, bis der Unmut der Ostdeutschen darüber sich Bahn brach.
Es seien Vorgänge wie diese, die den „Anstalt“-Machern auf der Seele lasteten, wenn sie hinsichtlich der deutschen Einheitsgeschichte das Narrativ des Applaudierens und „nach vorne Schauens“ vernehmen. Für sie sind die Machenschaften der Treuhand nur schwer zu begreifen und sie sehen darin einen Grund für heutige politische Radikalisierungen.
Debatten entfachen und Standpunkte hochhalten, Motivation dafür geben, sich als Gemeinschaft zu organisieren und sich vereint gegen Ungerechtigkeiten zu stemmen, dass sei es, was beide, Uthoff und Krauß, antreibe. „In meinen Träumen bin ich Anarchist“, gibt Max Uthoff unumwunden zu, der schon als Schuljunge im Münchner Kabaretttheater seiner Eltern auftrat.
Ob das Team der Sendung schon einmal Einschränkungen durch die zuständige Redaktion bei ZDF erfahren habe? Nein, sagen beide, das sei noch nie geschehen. Lediglich das Thema Religion sei heikel, habe ihnen ein Redakteur ans Herz gelegt. Natürlich sei für das Team der größte Anspruch, verstanden zu werden, aber insgesamt, so Uthoff „machen wir, worauf wir Lust haben“.
Dorothea Grass
Der kommende Termin von „Die Anstalt – Politische Satire im Schloss“ ist Mittwoch, der 11. Dezember 2019. Mehr zur Veranstaltungsreihe und den Anmeldemodalitäten erfahren Sie hier.
Unter diesem Link lesen Sie ein Kurzinterview mit Dietrich Krauß.
Zur Website der Sendung gelangen Sie hier.
Den Faktencheck zur Sendung vom 5. November können Sie hier nachlesen.
Bild: Der Kabarettist Max Uthoff und Dietrich Krauß, Autor der Sendung „Die Anstalt“ (Foto: dgr/eat archiv)