Kommunikation in Krisenzeiten: Was können wir von Wissenschaft & Politik erwarten?
Seit dem Ausbruch von Covid–19 liegt der öffentliche Fokus auf Wissenschaft und Politik. Warum diese beiden Systeme völlig unterschiedlich funktionieren und teilweise miteinander kollidieren, erläutert der Soziologe Prof. Dr. Armin Nassehi in einem kurzen Video-Interview.
Prof. Dr. Armin Nassehi war am 20. September zu Gast in Tutzing: Als Referent und Mitdiskutant bei der interdisziplinären Tagung “Alles bleibt anders – Corona und die sozialökologische Transformation” (mehr dazu hier).
In einer Pause nahm er sich Zeit, auf die Fragen von Dorothea Grass, Studienleiterin und Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit an der Evangelischen Akademie Tutzing, einzugehen. Sie wollte wissen: Warum reden Wissenschaft und Politik so oft aneinander vorbei? Worin unterscheiden sich die beiden? Und wie kann die Gesellschaft damit umgehen, dass oft eindeutige Informationen fehlen?
Aus wissenschaftlicher Expertise politische Schlüsse zu ziehen, sei sehr schwierig, so der Soziologe. Beide, Wissenschaft und Politik, seien eigene Systeme. “Hier prallen zwei ganz unterschiedliche Systemlogiken direkt aufeinander”, so Armin Nassehi. “Politik produziert kollektiv bindende Entscheidungen”, Wissenschaft versuche dagegen “Fragen als Wahrheitsfragen zu beantworten”. Nicht immer würden letztere eindeutig ausfallen, manchmal müssten sie auch zurückgenommen werden. Wissenschaft könne “wahrheitsförmig reden, aber nie eine letzte Wahrheit formulieren”. Aus diesem Grund könne man auch nicht von der Wissenschaft erwarten, dass sie bestimmt, wann etwa Schulen geschlossen werden müssen. Was man aber ganz gut daran ablesen könne: Wie wissenschaftliche Erkenntnisprozesse funktionierten.
Daraus folgten zwei Schlüsse: Erstens, Wissenschaft könne keine eindeutigen Sätze und “letzte Wahrheiten” produzieren und zweitens, Politik kann aus wissenschaftlichen Aussagen keine Eins-zu-eins-Handlungsempfehlungen ableiten. Die Erwartungen der Menschen zu erfüllen, sei vor allem für die Wissenschaft schwierig. Aus diesem Grund sei es umso wichtiger, Wissenschaft gut erklären zu können – auch Menschen, die keinen Zugang dazu haben.
Das vollständige Interview auf YouTube können Sie hier ansehen.
Bild: Prof. Dr. Armin Nassehi im Gespräch mit Dorothea Grass (eat archiv)