Klie: Menschen mit Demenz nicht zum Pflegefall degradieren
“Prognostisch werden es bald zwei Millionen Menschen sein, die mit einer der Ausprägungen von Demenz leben und leben lernen müssen.”, schreibt der Jurist und Gerontologe Thomas Klie. In einem Beitrag für die Evangelische Akademie Tutzing fordert er, es in einer Gesellschaft des langen Lebens als wichtige Zukunftsaufgabe zu begreifen, gesellschaftliche Teilhabe für Menschen mit Demenz und ihre An- und Zugehörigen zu ermöglichen.
Demenz als Begriff bedeutet wortwörtlich übersetzt “ohne Geist”. Weil dieser Begriff problematisch ist, spricht man in der Wissenschaft heute von “hirnorganischen Beeinträchtigungen”. Der deutsche Rechtswissenschaftler und exponierte Sozialexperte Thomas Klie schreibt in einem Gastbeitrag für die Evangelische Akademie Tutzing von einem Krankheitsbild mit unterschiedlichsten Formen, dem für die Betroffenen eines gemein ist: Einschränkungen der Alltagskompetenz. “Menschen mit Demenz sind rechtlich betrachtet Menschen mit Behinderung. Seit der Behindertenrechtskonvention, die auch und selbstverständlich für Menschen mit Demenz gilt und umgesetzt werden sollte, muss es darum gehen, ihnen die Teilhabe an den Dimensionen gesellschaftlichen Lebens zu ermöglichen, die ihnen individuell elementar bedeutsam sind.”, schreibt Klie.
Er warnt davor, von Demenz betroffene Menschen zu pathologisieren und zu Pflegefällen zu degradieren. Es geht ihm um eine Haltung, die Demenz als eine der vielfältigen Variationen der menschlichen Existenz begreift. Daher gehe es darum, für Menschen mit Demenz Bedingungen für ein gutes Leben zu schaffen, die den ganzen Menschen “mit all seinen Sinnen und Empfindungen” im Blick haben. “Nicht die Bekämpfung, nicht die Angst vor Demenz, sondern tätige Mitsorge und Solidarität sind gefragt.”, schreibt Klie.
Gesellschaftlich könne so die Sorge um Menschen mit Demenz weder an die Pflegeversicherung noch an ein Pflegeheim delegiert werden. Es komme vielmehr darauf an, die Aufgaben der Sorge in geteilter Verantwortung einzuüben: in Nachbarschaften, Freundeskreisen und Familien. Anders, so Klie werde “unsere Gesellschaft im demografischen Transformationsprozess kein menschenfreundliches Antlitz zeigen und die Zuversicht vermitteln, dass auch unter dem Vorzeichen von Demenz für uns gesorgt sein wird.”
Den kompletten Gastbeitrag lesen Sie im Rotunde-Blog der Evangelischen Akademie Tutzing.
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Vom 03. – 05. Mai 2024 findet an der Evangelischen Akademie Tutzing die Tagung “Zukunft Demenz. Perspektiven für eine älter werdende Gesellschaft” statt, die in Kooperation mit Prof. Dr. habil. Thomas Klie, Studienleiter Dr. Hendrik-Meyer-Magister und Prof. Dr. Arne Manzeschke, Professor für Ethik und Anthropologie an der Evangelischen Hochschule Nürnberg, entstanden ist. Detaillierte Informationen zu Programm und Anmeldemodalitäten finden Sie hier.